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Urteil zu Wahlrecht für AuslandsdeutscheMitbestimmung aus der Ferne

Deutsche, die noch nie drei Monate in Deutschland gelebt haben, dürfen nicht wählen. Diese Regelung ist verfassungswidrig, entschied nun das Verfassungsgericht.

„Mindestmaß an realer Verbindung“ zu Deutschland: Zwei Wähler in Tracht. Bild: dpa

FREIBURG taz | Der Bundestag muss das Wahlrecht der Auslandsdeutschen neu regeln. Das entschied jetzt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe auf Klage von zwei deutschen Frauen, die in Belgien leben.

Derzeit haben rund 1,14 Millionen Deutsche ihren Wohnsitz im Ausland, die meisten in der Schweiz (252.000), Spanien (194.000) und Österreich (130.000). An der Bundestagswahl dürfen sie nur teilnehmen, wenn sie in den vergangenen 25 Jahren für mindestens drei Monate in Deutschland gemeldet waren. Das soll sicherstellen, dass die Wähler auch einen gewissen Bezug zu Deutschland haben.

Früher verhinderten ähnliche Klauseln, dass DDR-Deutsche in der Bundesrepublik mitwählen und das Wahlergebnis im Sinne der DDR-Führung beeinflussen.

Den aktuellen Karlsruher Beschluss hatten zwei Frauen ausgelöst, die beide 1982 in Belgien geboren wurden. Ihre deutschen Eltern waren vor ihrer Geburt aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nach Belgien gezogen. Die Frauen wollten an der Bundestagswahl 2009 teilnehmen, durften aber nicht, weil sie in den vergangenen 25 Jahren nicht in Deutschland gewohnt hatten.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichts ist dies keine sinnvolle Differenzierung unter den Auslandsdeutschen. Einerseits dürften Personen wählen, die als Säugling drei Monate in Deutschland lebten. Andererseits seien Deutsche ausgeschlossen, die zwar seit 25 Jahren im benachbarten Ausland lebten, aber in Deutschland arbeiten und sich politisch engagieren. Die derzeitige Regelung verletzte den Grundsatz der "Allgemeinheit der Wahl".

Die Bundestagswahl 2009 ist aufgrund dieses Wahlfehlers aber trotzdem gültig, entschied Karlsruhe. Allerdings muss der Bundestag bis zur Bundestagswahl 2013 eine Neuregelung treffen. Diese könnte für die Auslandsdeutschen großzügiger oder strenger ausfallen.

Die Entscheidung fiel mit 7 zu 1 Richterstimmen. Richterin Gertrude Lübbe-Wolff kritisierte den Beschluss in einem Sondervotum. Der Gesetzgeber habe darauf vertrauen dürfen, dass die bisherige Wahlregelung für Auslandsdeutsche verfassungskonform ist, weil das Bundesverfassungsgericht sie zuletzt 1990 bestätigt hatte.

Der Bundestag muss bis zur Neuwahl im September 2013 ohnehin das Wahlrecht reformieren. Im Juli beanstandete das Verfassungsgericht, dass zu viele Überhangmandate ohne Ausgleich möglich sind. Auch dabei urteilte das Gericht strenger als früher. (Az. 2 BvC 1/11 und 2/11)

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1 Kommentar

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  • B
    Brandt

    Verfassungsrechtlich ist das Urteil nicht zu beanstanden. Als politisches Urteil isoliert betrachtet, sehe ich vor allem Modernisierungsbedarf.

     

    Während grössere Gruppen von Steuerzahler vor allem hierulande seit Jahren lebende Ausländer von Kommunalwahlen ausgeschlossen werden, wird die Dreimonats-Regel für Auslandsdeutsche aufgehoben.

     

    Auslandsdeutsche haben berechtigte Interessen, wenn es um Zugang zu deutschen Auslandsschulen, Handelspolitik und Sozialpolitik geht.

     

    Jedoch kennen sie die lokalen Verhältnisse in Deutschland kaum, wenn sie noch nie drei Monate zusammenhängend in unserem Land gelebt haben. Es besteht die Gefahr, dass Deutschland ausschliesslich aus dem Blickwinkel des Residenzlandes zu betrachten.

     

    Ich will nicht in Abrede stellen, dass das Einfliessen der lokalen Information von Auslandsdeutschen nicht zur Wahl von Koalitionen führt mit einer image-verbessernden Aussenpolitik Deutschlands. Schliesslich erfahren Auslandsdeutsche anti-deutsche Stimmungslagen aus erster Hand.

     

    Beim Artikel vermisse ich eine wichtige Zahl. Wieviele Wähler sind Auslandsdeutsche, die noch nie drei Monate zusammenhängend in Deutschland gewohnt haben ?