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Urteil zu NSA-SelektorenlisteKlage auf Herausgabe ist gescheitert

Eine Tageszeitung wollte wissen, welche deutsche Ziele der BND für den US-Geheimdienst NSA überwachte und zog vor Gericht. Die Richter haben die Klage abgewiesen.

Ein „Geh Heim Dienst“ wäre viel besser: Protest gegen Überwachung Foto: dpa

Leipzig afp | Der Bundesnachrichtendienst (BND) muss Journalisten nicht Auskunft über geheime Aspekte seiner Tätigkeit geben. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wies in einem am Freitag veröffentlichten Urteil die Klage eines Journalisten ab, der den BND gerichtlich zur Vorlage von Informationen über die umstrittene Selektorenliste verpflichten wollte. Diese Liste umfasst mutmaßlich Unternehmen und Personen in Deutschland, für deren Ausspähung der US-Geheimdienst NSA offenbar den BND einspannte.

Geklagt hatte der Redaktionsleiter einer Tageszeitung. In ihrem Spruch verwiesen die Richter auf „berechtigte schutzwürdige Interessen“ des BND, die einer Veröffentlichung der Liste entgegenstünden. Zwar habe die Presse aufgrund ihrer grundgesetzlich verankerten Pressefreiheit ein Recht darauf, dass Bundesbehörden ihr Auskunft erteilten. Dieses Recht gelte aber nicht allgemein, sondern müsse jeweils im Einzelfall abgewogen werden.

Im vorliegenden Einzelfall – der so genannten Selektorenliste – verwiesen die Leipziger Richter zum einen auf die Besonderheiten der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, die unter Umständen eine Geheimhaltung erforderten, und zum anderen auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten.

Der BND sei darauf angewiesen, verdeckt zu arbeiten, heißt es in dem Urteil. „Müssten Auskünfte über solche Vorgänge erteilt werden, würde die Gewinnung von weiteren Informationen erschwert, wenn nicht verhindert, und wäre damit die Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes gefährdet“, argumentieren die Richter.

Gericht folgt Regierungslinie

Zudem wiesen sie darauf hin, dass der BND zur Erfüllung seiner Aufgaben mit ausländischen Diensten zusammenarbeiten müsse: „Die Zusammenarbeit setzt voraus, dass die beteiligten Nachrichtendienste sich wechselseitig darauf verlassen können, dass von ihnen für geheimhaltungsbedürftig angesehene Informationen auch von der anderen Seite geheim gehalten werden.“ Andernfalls könne die Arbeit des BND beeinträchtigt werden.

Die Verwaltungsrichter folgten in ihrem Urteil damit weitgehend jener Linie, welche die Bundesregierung, aber auch die Spitze des BND in ihrem Umgang mit der Selektorenliste verfolgen. BND und Regierung hatten beispielsweise dem Wunsch des zuständigen Bundestagsausschusses, in die Liste Einblick zu nehmen, mit ähnlichen Argumenten zurückgewiesen wie jenen, die nun die Leipziger Richter formulierten.

Regierung und BND wiesen wiederholt darauf hin, dass eine Weitergabe der Liste der Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten einen schweren Schaden zufügen würde. Derzeit nimmt allerdings ein Sonderermittler im Auftrag des Untersuchungsausschusses Einblick in die Liste.

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3 Kommentare

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  • Die Entscheidung mag richtig sein, wenn der Presse die Herausgabe verweigert wird. Schliesslich wird auch eine Staatsanwaltschaft Ermittlungsakten nicht ohne weiteres herausgeben.

    Kritisch ist dagegen, dass hier höchstwahrscheinlich massenhaft für ein fremden Geheimdienst strafbare Spionage betrieben wurde und die Strafverfolgungsbehörden wegsehen und der Untersuchungsausschuss des Bundestag bei der Untersuchung behindert wird.

  • Schade, aber das war abzusehen. Die Zeit dafür ist einfach noch nicht reif, leider. Schaden für den BND hin oder her. Wenn der Verdacht besteht das Rechtsbruch begangen wurde, muss das aufgeklärt werden und man muss die Listen einsehen. Warum dieses Recht dem Bundestag verweigert wird, immerhin gewählte Volksvertreter, kann ich nicht nachvollziehen.

  • Ein Bundestagsausschuss muss Einsicht nehmen können in die Selektorenliste, damit eine wirksame Kontrolle der Geheimdienste gewährleistet werden kann. Bei tausenden von Einträgen in dieser Liste kann eine einzelne Person, die jetzt Einsicht nehmen darf, sich keinen Überblick verschaffen. Durch eine einzelne Person ist hier keine Kontrolle möglich. Es müssen viele Augen diese Listen einsehen dürfen, damit man gemeinsam zu einem Urteil kommen kann über das was in diesen Listen angelistet ist. Wenn die NSA dem BND einen Auftrag zur Spionage gegen einen deutschen Politiker oder gegen ein deutsches Unternehmen gibt, so ist dieses Vorgehen nicht hinnehmbar. Es muss möglich sein, diese Form von Spionage zu kontrollieren und entsprechend zu unterbinden. Es darf nicht sein, dass der BND entgegen deutschem Recht handelt und diese Handlungen Ohne Konsequenzen für den BND und die dort handelnden Personen möglich sind. Man darf nicht jegliche Kontrolle unterbinden und als Grund die Geheimhaltung angeben.