piwik no script img

Urteil wegen Sturm aufs US-KapitolDie Verschwörer der Miliz

Der Chef der „Oath Keeper“-Miliz wird wegen „aufrührerischer Verschwörung“ schuldig gesprochen. Er war am Sturm aufs US-Kapitol im Januar 2021 beteiligt.

Der jetzt verurteilte Oath-Keeper-Chef Stewart Rhodes Foto: Jim Urquhart/reuters

Washington ap/dpa/taz | Ein Bundesgericht in Washington hat den Gründer der rechtsextremen Gruppe „Oath Keepers“, Stewart Rhodes, für seine Rolle rund um den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 der „aufrührerischen Verschwörung“ für schuldig befunden. Rhodes habe das Ziel verfolgt, die rechtmäßige Machtübergabe an Präsident Joe Biden nach der Wahl 2020 mit Gewalt zu stoppen, befand das Gericht am Dienstag.

Dem Urteil gingen dreitägige Beratungen der Jury voraus. Im fast zwei Monate langen Prozess warf die Staatsanwaltschaft Rhodes und dessen Gefolgsleuten vor, dass sie den Ex-Präsidenten und Wahlverlierer Donald Trump mit allen Mitteln im Weißen Haus halten wollten.

Der Schuldspruch fußt auf einem aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs stammenden Gesetz gegen „aufrührerische Verschwörung“. Der Straftatbestand ist nicht leicht zu belegen. Dafür muss die Anklage nachweisen, dass zwei oder mehr Menschen sich verschworen haben, um die Regierung der USA zu stürzen oder um sich mit Gewalt ihrer Autorität zu widersetzen. Ein Beispiel dafür ist das in 1990er Jahren verhängte Urteil gegen den Drahtzieher des ersten Anschlags auf das World Trade Center in New York 1993.

Das bislang letzte Mal klagte das Justizministerium vor rund zehn Jahren christliche Fundamentalisten der „Hutaree“-Gruppe wegen „aufrührerischer Verschwörung“ an. Ein Richter wies die Klage allerdings wegen fehlender Beweise ab.

Schon kurz nach der Wahl Komplott geschmiedet

Von zwei anderen Anklagepunkten zu mutmaßlicher Verschwörung sprach das Gericht Rhodes frei. Es befand den Mitangeklagten Kelly Meggs – den Leiter der Ortsstelle der „Oath Keepers“ in Florida – hingegen ebenfalls der „aufrührerischen Verschwörung“ für schuldig. Drei weitere Beschuldigte wurden von diesem Vorwurf zwar freigesprochen. Doch sah die Jury es als erwiesen an, dass alle fünf sich der Behinderung der Beglaubigung des Wahlsiegs von Joe Biden durch den Kongress schuldig gemacht hätten. Das Strafmaß für Rhodes und die anderen Verurteilten wird zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. Einen Termin dafür gab es zunächst noch nicht.

„Das Justizministerium ist entschlossen, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für den Angriff auf unsere Demokratie am 6. Januar 2021 strafrechtlich verantwortlich sind“, erklärte Justizminister Merrick Garland nach der Entscheidung. Rhodes’ Anwälte reagierten hingegen enttäuscht auf das Urteil. „Wir sind der Meinung, dass wir einen Fall vorgelegt haben, der durch Beweise und Zeugenaussagen gezeigt hat, dass Herr Rhodes das Verbrechen der ‚aufrührerischen Verschwörung‘ nicht begangen hat“, sagte einer seiner Anwälte. „Es wurden keine Beweise vorgelegt, die darauf hinweisen, dass es einen Plan gab, das Kapitol anzugreifen.“

Rhodes betrat zwar nicht das US-Kapitol, als es am 6. Januar von Anhängern Trumps gestürmt wurde, die die Bestätigung von Bidens Sieg stoppen wollten. Doch wurde ihm zur Last gelegt, schon kurz nach der Präsidentschaftswahl im November 2020 ein staatsgefährdendes Komplott mit dem erklärten Ziel geschmiedet zu haben, den Machttransfer mit einer „bewaffneten Rebellion“ zu stoppen.

Dutzende Waffen im Hotelzimmer

Die Jury bekam im Prozess Aufnahmen und verschlüsselte Nachrichten vorgelegt, in denen Rhodes seine Anhänger anstachelte, für einen Verbleib Trumps an der Macht zu kämpfen. Zudem warnte der Kopf der „Oath Keepers“ vor einem möglichen „blutigen“ Bürgerkrieg im Falle eines Amtsantritts von Biden – und äußerte Bedauern, dass seine Gefolgsleute am 6. Januar 2021 keine Gewehre zum Kapitol gebracht hätten.

Während des Prozesses wurde klar, dass die Angeklagten Dutzende von Waffen in einem Hotelzimmer in Virginia gelagert hatten, auf der anderen Seite des Potomac-Flusses. Die Verteidiger argumentierten, diese Waffen seien ja nie zum Einsatz gekommen, das zeige, dass sie nur zu Verteidigungszwecken gedacht gewesen seien. Aber während des Prozesses vorgezeigte Nachrichten von Rhodes vom 6. Januar, in denen er seine Anhänger zum Aufstand aufruft, überzeugten das Gericht vom Gegenteil.

Rhodes bestritt vor dem Gericht Pläne für einen Angriff auf den Kongresssitz. Er habe nicht gewusst, dass sich seine Anhänger dem Mob anschließen würden, der das Kapitol belagert habe. Er sei wütend geworden, als er herausgefunden habe, dass einige „Oath Keepers“ da mitgemacht hätten, sagte Rhodes aus. Sie hätten sich „dumm“ verhalten und ihre Mission für jenen Tag verfehlt.

Die Anwälte der Angeklagten warfen der Staatsanwaltschaft vor, die Worte ihrer Mandanten verdreht zu haben. Die „Oath Keepers“ seien damals nur nach Washington gegangen, um Personen wie Roger Stone zu schützen, einen langjährigen Trump-Verbündeten. Nach dem Schuldspruch erklärte Anwalt James Lee Bright, dass Rhodes in Berufung gehen wolle. Ed Tarpley, ein anderer Verteidiger des Anführers der „Oath Keepers“, sprach von einem uneindeutigen Urteil. „Das ist in keinster Weise oder Form ein totaler Sieg für die Regierung.“

Rhodes und Meggs waren die ersten Personen seit fast 30 Jahren, die in einem Prozess um aufrührerische Verschwörung für schuldig befunden wurden. Beobachter sprachen vor diesem Hintergrund von einem Meilenstein für das US-Justizministerium, der Bundesstaatsanwälten Rückenwind für die Strafverfolgung weiterer Extremisten geben dürfte, gegen die ähnliche Vorwürfe vorliegen. Bislang sind US-weit rund 900 Personen wegen ihrer Beteiligung am Sturm aufs Kapitol verhaftet worden, darunter auch Mitglieder der Proud Boys, einer anderen extremistischen Miliz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Oha, ein lügnerischer Oath Keeper, typisch Amerika.