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Urteil wegen Erdoğan-SchmähgedichtBöhmermann legt Berufung ein

Der Satiriker Jan Böhmermann geht im Verfahren um sein Erdoğan-Gedicht in die nächste Runde. Sein Anwalt vollzieht den bereits angekündigten Schritt.

Erdoğan hatte per Unterlassungsklage erreichen wollen, dass der Satiriker das Gedicht nicht wiederholen darf Foto: dpa

München afp | Der Satiriker Jan Böhmermann hat Berufung gegen das Urteil des Hamburger Landgerichts gegen sein sogenanntes Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eingelegt. „Herr Böhmermann wird die durch das Urteil erfolgte Einschränkung seiner Grundrechte nicht akzeptieren“, sagte dessen Anwalt Christian Schertz der Süddeutschen Zeitung.

Er reichte demnach am Freitag in Böhmermanns Auftrag die Berufung ein. Auf den Tag genau vier Wochen zuvor hatte das Hamburger Gericht diesem untersagt, Gedichtpassagen etwa mit sexuellen Bezügen zu wiederholen. Schertz hatte bereits unmittelbar darauf angekündigt, in Berufung zu gehen. Dafür gilt nach deutschen Recht eine Frist von genau einem Monat.

Das von Böhmermann vor bald einem Jahr in seiner ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragene Schmähgedicht hatte hohe Wellen geschlagen und Erdoğan dazu veranlasst, an verschiedenen Fronten juristisch aktiv zu werden. Die von ihm per Anzeige ausgelösten strafrechtlichen Ermittlungen wegen Beleidigung stellte die Staatsanwaltschaft später aber ein. Im Zivilrecht gelten generell allerdings häufig andere juristische Maßstäbe.

Vor dem Hamburger Gericht hatte Erdoğan per Unterlassungsklage erreichen wollen, dass der Satiriker das Gedicht nicht wiederholen darf. Die Richter stimmten dem in ihrem am 10. Februar verkündeten Beschluss weitgehend zu. Sie verboten die meisten Teile und nahmen nur wenige Zeilen aus. Satire dürfe für sich einen großen Freiraum beanspruchen, sei nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts „aber nicht schrankenlos“, betonten sie.

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2 Kommentare

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  • „Herr Böhmermann wird die durch das Urteil erfolgte Einschränkung seiner Grundrechte nicht akzeptieren“, sagte dessen Anwalt Christian Schertz der Süddeutschen Zeitung.

     

    Der Rechtsweg bis zum Bundesverfassungsgericht beziehungsweise eventuell danach auch bis zum Europäischen Gerichtshof muss ausgeschöpft sein. Alle Bürgerinnen und Bürger werden die ganze gerichtliche Auseinandersetzung bestimmt gern mitverfolgen, egal wie viele Jahre sie andauern wird.

  • Wie auch immer Jan Böhmermann auf seine Zeilen kam, Alexander Litwinenko bezahlte es jedenfalls mit dem Leben, als er Wladimir Putin der sexualisierten Misshandlung von Kindern bezichtigte. Und soweit ich informiert bin, hatte der Ex-KGBler Litwinenko seine Verlautbarung nicht mal als Satire angelegt.

     

    Übergriffigkeit gilt in so gut wie allen Kulturen immer auch als Erfolgsprinzip. So lange die diesem Verhalten zu Grunde liegende

    Beschädigung der Persönlichkeit als Zeichen von „Stärke“ aufgefasst wird, wird die Verquickung von sexueller bzw. sexualisierter mit anderen Formen von Gewalt bei Machthabern weiterhin die Regel bilden. Nicht die Ausnahme. Beide Männer,

    Erdogan und Putin, wurden von Menschen gewählt. Darin spiegelt sich deren politische Entscheidung wider. So lange die Russen und die Türken überhaupt noch die Wahl haben, wird diese die Einstellung der Mehrheit der Menschen beider Länder zu Machtverhältnissen repräsentieren. Dies ist das eigentliche Problem. Typen wie Erdogan, Putin oder wie sie alle heißen und hießen, sind letztlich austauschbar. Die Gründe, warum sie von anderen gestützt werden und so an die Macht kommen, dagegen immer die gleichen.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden