Urteil vom Bundesgerichtshof: Mieterschutz komplett
Mieterhöhungen dürfen im ganzen Stadtgebiet begrenzt werden, nicht nur in den besonders begehrten Vierteln. Das hat jetzt der BGH entschieden.
Wenn ein Vermieter in einem bestehenden Mietverhältnis die Miete erhöhen will, muss er vor allem zwei Grenzen beachten. Zum einen darf er die „ortsübliche Vergleichsmiete“ nicht übersteigen. Zum anderen darf die Miete binnen drei Jahren maximal um 20 Prozent erhöht werden. Diese Kappungsgrenze kann seit Mai 2013 in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt auf 15 Prozent reduziert werden.
Von dieser Möglichkeit haben elf Bundesländer für 275 Kommunen Gebrauch gemacht. Nur in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen gilt noch die 20-Prozent-Grenze.
Der konkrete Fall betraf eine Wohnung im Berliner Stadtteil Wedding, der zum Bezirk Mitte gehört. Der Vermieter wollte im September 2013 die Miete um 20 Prozent erhöhen, obwohl der Berliner Senat für das ganze Stadtgebiet die Kappungsgrenze auf 15 Prozent abgesenkt hatte. Im konkreten Fall musste der Vermieter zwar auf weniger als 10 Euro pro Monat verzichten. Doch er trieb den Fall durch die Instanzen, ihm geht es ums Prinzip.
Weiter Spielraum für den Senat
Vor dem BGH argumentierte Anwalt Achim Krämer mit dem Grundrecht auf Eigentum. Dieses sei verletzt, weil Berlin die Kappungsgrenze im ganzen Stadtgebiet abgesenkt habe statt nur in den Bezirken, in denen nachweislich ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum bestehe. Bei Maßnahmen gegen den Wohnungsleerstand habe sich der Senat auf die Bezirke Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf beschränkt. „So differenziert hätte er auch bei der Absenkung der Kappungsgrenze vorgehen müssen“, sagte Krämer.
Doch die Klage hatte beim BGH keinen Erfolg. Die Richter billigten dem Berliner Senat, der ja demokratisch legitimiert sei, einen „weiten wohnungsmarkt- und sozialpolitischen Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum“ zu. Dieser werde nur verlassen, wenn die Erwägungen „offensichtlich verfehlt“ sind. Ein Gericht könne nicht einfach die Überlegungen einer Landesregierung durch seine eigenen Vorstellungen ersetzen.
Nach diesem Maßstab sei es nicht zu beanstanden, wenn in Berlin die Beschränkung von Mieterhöhungen im ganzen Stadtgebiet gelte statt nur in einzelnen Bezirken. Schließlich seien labile Wohnungsmärkte „grundsätzlich räumlich nicht exakt eingrenzbar“, so der BGH.
Damit haben auch Klagen in anderen Bundesländern kaum Chancen auf Erfolg. In allen betroffenen Städten gilt die Absenkung der Kappungsgrenze im gesamten Stadtgebiet – auch in Großstädten wie Hamburg, München, Köln oder Stuttgart.
Bedeutung hat das Urteil auch für die neue Mietpreisbremse. Auch diese gilt nur in Kommunen, für die die jeweilige Landesregierung per Verordnung einen „angespannten Wohnungsmarkt“ festgestellt hat. Danach dürfen neue Mietverträge die ortsübliche Vergleichsmiete um maximal 10 Prozent übersteigen.
Az.: VIII ZR 217/14
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid