Urteil über Kosten für Kitas: Wer bestellt, muss bezahlen
Der Staatsgerichtshof in Wiesbaden erklärt die Kita-Verordnung von Hessen für verfassungsgemäß. Die Landesregierung muss aber für die Mehrkosten aufkommen.
FRANKFURT taz | Im Streit um Mehrkosten für Kindergärten und Kinderkrippen hat der Hessische Staatsgerichtshof die Kommunen gestärkt. Zwar sei eine Verordnung des Landes Hessen zur qualitativen Verbesserungen in der Kinderbetreuung verfassungsgemäß. Die Regierung hätte jedoch den Kommunen dafür zusätzlich Geld geben müssen. Dabei verwiesen die Richter am Mittwoch in Wiesbaden auf das in der Verfassung festgelegte Konnexitätsprinzip: „Wer bestellt, bezahlt.“
39 Kommunen hatten gegen die sogenannte Mindestverordnung geklagt, weil das Land die Kosten für die Mehrbelastung nicht tragen wollte. Die Staatskanzlei dagegen argumentierte, es gehe beim neuen Personalschlüssel für die städtischen Kitas nur um Modalitäten, alles „Nähere regelt das Gesetz“.
Die Landesregierung hatte 2009 den Kinderkrippen mehr Personal und kleinere Gruppen verordnet. Der Schlüssel von 1,5 Fachkräften für jede Kindergruppe wurde auf 1,75 erhöht, die Gruppengröße auf maximal 10 Kinder beschränkt. Dabei waren CDU und FDP von einer Mehrbelastung von 130 Millionen Euro ausgegangen.
Die Kommunen dagegen rechnen mit Mehrkosten von jährlich rund 260 Millionen Euro – und zeigten sich nun zufrieden mit dem Urteil: „Unser eigentliches Ziel haben wir erreicht“, sagte der Direktor des Hessischen Städtetags, Jürgen Dieter (SPD), der für die Kommunen vor Gericht gezogen war. Dieter geht davon aus, dass das Land die Kosten für die Mindestverordnung nun gesetzlich regeln werde, etwa über den kommunalen Finanzausgleich.
Die Staatskanzlei reagierte zurückhaltend auf die Entscheidung. Man werde das Urteil gründlich analysieren, sagte die Prozessbevollmächtigte Elke Bohl. Der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gerhard Merz, warf der Landesregierung „Wortbruch“ vor und betonte: „Der schäbige Umgang der Landesregierung mit den Kommunen ist und bleibt ein politischer Skandal.“ Brisant ist das Urteil vor allem im Hinblick auf den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, der im August 2013 gültig werden soll. Auch hier ist die Finanzierung alles andere als gesichert, bundesweit fehlen etwa 14.000 Erzieherinnen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
FDP-Chef Lindner verabschiedet sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“