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Urteil nach Blumenstrauß-VorfallAnke Domscheit-Berg soll blechen

Die Ex-Piratin ist wegen Körperverletzung zu einer Strafe von 600 Euro verurteilt worden. Es ging um ein Gerangel mit Polizisten, bei der ein Blumenstrauß im Spiel war.

Wenn das mal nicht ins Auge geht Foto: dpa

Berlin dpa | Nach einem Tauziehen mit Polizisten um einen Blumenstrauß ist Netzaktivistin und Publizistin Anke Domscheit-Berg zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Die frühere Piraten-Politikerin, die bei der Bundestagswahl 2017 für die Brandenburger Linke kandidieren will, habe sich der Körperverletzung schuldig gemacht, urteilte das Amtsgericht Tiergarten am Donnerstag. Die 48-Jährige habe eine Polizistin „mit ihren Fingernägeln erwischt“ und eine kleine Kratzwunde verursacht. Die Verteidigerin, die Freispruch verlangt hatte, kündigte bereits Rechtsmittel an.

Hintergrund des Verfahrens ist das turbulente Ende einer Mahnwache für im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge. Mehr als 5.000 Teilnehmer hatten sich im Juni 2015 vor dem Bundestag versammelt, um der Toten zu gedenken. In einem Strafbefehl über 900 Euro war Domscheit-Berg zunächst vorgeworfen worden, zwei Polizisten im Gerangel um ihren Blumenstrauß leicht verletzt zu haben.

„Aus dem Vorwurf, der sich erst heftig anhörte, ist ziemlich wenig geworden“, hieß es im Urteil. Dass Domscheit-Berg einem Beamten mit den Blumenstielen durch den offenen Helm ins Gesicht gestoßen habe, sehe sie nicht, sagte die Richterin. Die kleine Verletzung an der Hand einer 40-jährigen Beamtin sei „strafbar am untersten Rand“. Auch die Geschädigte habe den Kratzer als eine Lappalie angesehen. Gegen Domscheit-Berg wurde eine Strafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Euro verhängt. Der Staatsanwalt hatte auf 60 Tagessätze plädiert.

Zu dem Prozess war es gekommen, weil Domscheit-Berg gegen den zunächst erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte. Sie habe zu keinem Zeitpunkt Polizisten attackiert, erklärte sie zu Beginn der Verhandlung vor fünf Wochen. Vielmehr sei sie „unbegründet und willkürlich“ von Beamten getreten und geschlagen worden. Die Blumen habe sie lediglich „verzweifelt hoch gehalten“. Sie werde weiter um einen Freispruch kämpfen. „Meine berufliche Reputation und Zukunft steht mit vor Gericht“, sagte sie.

Anke Domscheit-Berg, die Textilkunst und Betriebswirtschaft studiert hat, war politisch erst bei den Grünen aktiv. Sie wechselte dann zu den Piraten, trat 2014 aus der Partei aus. Sie will nun als Parteilose für die Linke bei der Bundestagswahl 2017 kandidieren.

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7 Kommentare

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  • Die Sache folgt einem bekannten Schema:

    Die OPFER von Polizeigewalt oder willkürlichen Polizeimaßnahmen werden von den uniformierten TÄTERN beschuldigt, Gewalt gegen diese Polizeitäter ausgeübt zu haben, und/ oder diese "beleidigt" zu haben.

    Typisch für diese Art von Verfahren ist, dass als Beweise ausschließlich die Angaben der Polizei-Täter in den Akten sind. Sie sind also Zeugen in eigener Sache.

    Typisch ist weiter, dass diese Zeugen niemals formal als Zeugen, mit dem Hinweis auf die Strafbarkeit von falschen Angaben und Nachfragen vernommen wurden.

    In den Akten, die aber IMMER für den Erlass eines Strafbefehles ausreichen, stehen dann IMMER nur sog. "Zeugenschftliche Berichte", die von mehreren Beamten meisten völlig Wortgleich sind. (Inkl. Rechtschreib- und Zeichenssetzungsfehlern).

    Auf kritische Nachfragen, die in der Hauptverhandlung NIE von der Statsanwaltschaft und selten von der RichterIn kommt, können sich die Zeugen an wenig erinnern, weder an das Wetter, und die Kollegen kennnen sie meist auch nicht mit Nahmen und überhaupt werden sie dann IMMER wortkarger.

    Und dann fällt ein Urteil, wie es hier vorliegt.

  • Zu den Dimensionen:

    600 Euro für einen Kratzer an der Hand einer Polizistin ist genauso hoch wie die Strafe für einen Verstoß gegen das Waffengesetz wegen des Besitzes eines Schlagrings: http://www.sz-online.de/nachrichten/schlagring-ist-kein-wohnungsschmuck-3573389.html

    Der Verstoß gegen das Waffengesetz wurde sogar noch mit einer geringeren Anzahl von Tagessätzen (15) belegt als der Kratzer (20).

    • @Soungoula:

      Aber ein Kratzer mit dem Schlagring währe richtig teuer geworden.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Schon wieder wegen Nichts in den Medien. Wie macht frau das?

    • @571 (Profil gelöscht):

      Wegen "nichts"? Nun ja.

       

      Ich finde es schon interessant, wie Vater Staat sich für seine Polizisten engagiert. Für seine Bürger legt er sich bei weitem nicht so stark ins Zeug.

       

      Wer nach einem Wasserwerfereinsatz von seinem Arzt attestiert bekommt, dass er oder sie: „beidseitig schwere Prellungsverletzungen“ erlitten hat, dass beidseitig „zerrissene Augenlieder“, ein „Augenbodenbruch“, eine „eingerissene Netzhaut und zerstörte Linsen“ vorliegen, das linke Auge „völlig zerstört“ bleiben und die Sehkraft des anderen nur noch 8 % betragen wird – was weder zum Lesen noch zum Autofahren reicht –, dann muss diese Person damit rechnen, dass sein Körperverletzungs-Verfahren nach 5 Jahren ergebnislos eingestellt wird. Der Polizeipräsident aber, der für solch rabiate Polizisten verantwortlich zeichnet, darf hoffen, dass er mit 120 Tagessätzen à 130 Euro davon kommt, und zwar selbst dann, wenn man ihn in vier Fällen verurteilt, nicht nur in einem.

       

      Nichts bzw. 15.600 Euro für vier zum Teil schwerst Verletzte, die dauerhafte Folgen davontragen nach einer Tat verhalten sich zu den 1.800 Euro, die von der Staatsanwaltschaft für einen Krater gefordert wurden, doch etwas seltsam, oder etwa nicht? Vor allem, wenn man bedenkt, was so ein Präsident verdient im Unterschied zu einer freischaffenden Netzaktivistin.

       

      Leicht aufgerundet ist dem deutschen Staat eine Schramme seiner Polizisten 8,7 Bürgeraugen wert, wenn ich das recht verstehe. Und das, obwohl in unserem wundervollen Land angeblich alle gleich sind vor Gericht und der Bürger Souverän ist.

       

      Ach ja, übrigens: Glauben Sie wirklich, dass Frau Domscheit-Berg ihre Verurteilung absichtlich herbeigeführt hat, nur um mal wieder in die Medien zu kommen? Wenn ja, kennen Sie das Sprichwort: "Was ich selber denk' und tu', trau' ich auch allen anderen zu"?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Den oberen gefühlten 90% Ihres wie immer geschätzten Kommentars stimme ich zu.

        Dem Rest weniger. Im Falle Domscheit-Berg schleicht sich bei mir halt immer so ein Verdacht ein.

        Die Verurteilung hat sie sicher nicht absichtlich herbeigeführt, deren Vorgeschichte z. Teil allerdings schon...

        • @571 (Profil gelöscht):

          Die Frage ist hier: Ist diese Absicht zweifelsfrei nachweisbar? Die Teilnahme an einer Demonstration ist ja noch lange keine geplante Gewalttat.

          Und bei dem schwerwiegenden Vorwurf, eine Polizistin absichtlich angegriffen und verletzt zu haben, muss so ein Nachweis schon wirklich klar und deutlich sein.

          Vermutungen und Unterstellungen, so naheliegend sie auch sein mögen, sind da nicht ausreichend.

          Vermutungen sind allerdings tatsächlich ausreichend, um das Ansehen einer Person zu beschädigen - weshalb man damit gerade in der Öffentlichkeit vorsichtig sein sollte.

           

          Abgesehen davon wäre es durchaus auch interessant zu erfahren, was aus dem Gegenvorwurf geworden ist. Domscheit-Berg sagt ja aus, dass sie von der Polizei geschlagen und getreten wurde. Weiß man darüber mehr (@taz)? Gibt es da eine Anzeige, ein Verfahren zur Prüfung, oder bleibt diese Aussage folgenlos?