Urteil im Sauerland-Prozess: Bis zu zwölf Jahre Haft
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden: Die vier Angeklagten der islamischen Sauerland-Gruppe müssen für die Verabredung zum vielfachen Mord bis zu zwölf Jahre ins Gefängnis.
DÜSSELDORF dpa | Die vier Islamisten der sogenannten Sauerland-Gruppe müssen wegen der Vorbereitung schwerer Terroranschläge in Deutschland für bis zu zwölf Jahre ins Gefängnis. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf am Donnerstag in einem der umfangreichsten Terrorverfahren der deutschen Justizgeschichte entschieden.
Die Angeklagten hätten "aus Verblendung und verqueren Dschihad-Ideen" gehandelt, sagte der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling bei der Urteilsverkündung. Sie seien zu "nahezu grenzenlosem und hemmungslosem Töten bereit" gewesen und hätten einen "zweiten 11. September" im Kopf gehabt. Mit mehreren Bomben hätten die vier als "Todesengel im Namen des Islams" Anschläge auf Pubs, Diskotheken und US-Einrichtungen in Deutschland geplant. Ziele in Ramstein, Kaiserslautern, Düsseldorf und Köln seien im Gespräch gewesen.
Das Gericht verurteilte Fritz Gelowicz und Daniel Schneider zu je zwölf Jahren Gefängnis, den Mitangeklagten Adem Yilmaz zu elf Jahren. Sie wurden wegen Mitgliedschaft in der ausländischen Terrorvereinigung Islamische Dschihad Union (IJU), wegen Verabredung zum vielfachen Mord sowie Vorbereitung eines Explosionsverbrechens schuldig gesprochen. Schneider (24) wurde zudem wegen versuchten Polizistenmordes verurteilt, weil er bei seiner Festnahme einem Beamten die Waffe entrissen und damit geschossen hatte, ohne ihn zu treffen. Als vierter erhielt Atilla Selek wegen Unterstützung der Terrorgruppe fünf Jahre Haft. Er kann mit Anrechnung der Untersuchungshaft bereits in gut fünf Monaten nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe auf freien Fuß kommen.
Das Gericht blieb leicht unter der Forderung der Anklage. Die Bundesanwaltschaft hatte Strafen zwischen fünfeinhalb und 13 Jahren beantragt. Mehrere Verteidiger sagten in einer ersten Reaktion, auf eine Revision eher verzichten zu wollen.
Von der Gruppe sei eine "ungeheure Bedrohung" ausgegangen, sagte Breidling. "Einen Anschlag von einem solchen Ausmaß hat es in Deutschland noch nie gegeben und auch nicht die Verabredung dazu. Ein verheerendes Anschlagsvorhaben ist vereitelt worden." Deswegen habe das Gericht trotz der umfassenden Geständnisse der Angeklagten bei der Strafhöhe nichts "zu verschenken" gehabt. Es sei auch nicht das Verdienst der Angeklagten gewesen, dass ihre Terrorpläne platzten. Vielmehr hätten Geheimdienste den ersten Hinweis auf die Islamisten gegeben und damit die sehr aufwändigen Ermittlungen ausgelöst.
Selek hatte die Zünder für die geplanten Bomben beschafft, aber den Treueeid auf die IJU-Führung abgelehnt und gilt deswegen nicht als Mitglied der Terrorgruppe. Mit den Anschlägen hatten Schneider, Gelowicz und Yilmaz den Bundestag zum Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan zwingen wollen. Deswegen wurden sie auch wegen Nötigung von Verfassungsorganen verurteilt.
Der Prozess habe gezeigt, dass auch junge Menschen aus westlichen Gesellschaften bereit seien, trotz oft nur geringer Kenntnisse des Islams ihr Leben dem islamistischen Terrorismus zu widmen, sagte der Richter Breidling. Offenbar habe der gewaltbereite Islamismus "auch auf Menschen in unserer Gesellschaft eine verheerende Anziehungskraft", wenn sie in ihren Familien "nicht die erforderliche Aufmerksamkeit und nicht die Antworten auf essenzielle Lebensfragen erfahren. Umso verführbarer seien sie dann für Hassprediger wie jene im Multikulturhaus in Neu-Ulm, wo Gelowicz und Selek ein geistiges Zuhause gefunden hätten.
Gelowicz, Schneider und Yilmaz waren am 4. September 2007 im Sauerland festgenommen worden. In einem Ferienhaus in Oberschledorn hatten sie damit begonnen, aus mehr als 700 Liter Wasserstoffperoxid gewaltige Autobomben zu bauen. Allerdings hatten Polizisten die Chemikalie bereits heimlich verdünnt. Selek wurde später in der Türkei gefasst.
Die Bundesanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, einen für die Bundesrepublik einzigartigen Massenmord geplant zu haben. Die Verteidiger hatten Strafen unter zehn Jahren gefordert. Eine tatsächliche Gefahr habe nicht bestanden, weil die Männer rund um die Uhr überwacht worden seien. Außerdem seien nur 3 von 26 entdeckten Sprengzündern intakt gewesen.
Obwohl die umfassenden Geständnisse der Angeklagten den Prozess deutlich beschleunigten, wird er als eines der umfangreichsten Terrorverfahren in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. An 65 Verhandlungstagen hatte das Gericht seit dem 22. April vergangenen Jahres 17 Sachverständige gehört und mehr als 60 Zeugen vernommen.
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