Prozess gegen Sauerland-Gruppe: Fast-Attentäter bitten um Milde

Die Verteidiger der "Sauerland-Gruppe" fordern für den jüngsten Angeklagten weniger als zehn Jahre Haft. Die Bundesanwaltschaft will ihn für 13 Jahre hinter Gitter bringen.

Weniger milde gestimmt: Die Ankläger im Düsseldorfer Prozess fordern 13 Jahre Haft für den 24-jährigen Daniel Schneider. Bild: reuters

KÖLN taz | Bernd Rosenkranz ist ein erfahrener Strafverteidiger. Schon vielen Terrorismusprozessen hat der Hamburger Rechtsanwalt beigewohnt. Aber so dämlich wie die sogenannte Sauerland-Gruppe, daran ließ er in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf am Mittwoch keinen Zweifel, hat sich noch keiner seiner Mandanten angestellt. Mit ihrem „Spontidenken“ hätten der von ihm vertretene Daniel Martin Schneider und die drei Mitangeklagten bei ihren bombigen Planungen so gut wie alles falsch gemacht.

Rund eine Stunde lang führte Rosenkranz in allen Details aus, dass der Terrorismus in Deutschland auch nicht mehr das ist, was er einmal war. Sein Fazit: Anders als von der Bundesanwaltschaft dargestellt, seien die verhinderten Dschihadisten „mitnichten“ eine mit der RAF vergleichbar gefährliche Truppe gewesen. Von der Professionalität, mit der beispielsweise das Attentat auf Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989 ausgeführt worden sei, „waren die Angeklagten meilenweit entfernt“. Für Rosenkranz ein Grund für eine Strafreduzierung: „Unprofessionalität und Dilettantismus schützen zwar vor Strafe nicht“, argumentierte er, „können aber Strafe mildern“.

Die Bundesanwaltschaft fordert 13 Jahre Haft für Schneider. Sie wirft dem 24-Jährigen - wie auch den mit ihm im September 2007 im sauerländischen Mebach-Oberschledorn festgenommenen Fritz Gelowicz und Adem Yilmaz - die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, die Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens und die Verabredung zum vielfachen Mord vor. Da Schneider bei seiner Festnahme einem BKA-Beamten die Dienstwaffe entrissen und daraus einen Schuss abgefeuert haben soll, legt ihm die Anklage zudem noch versuchten Mord und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Last.

Die Taten Schneiders seien die Folge einer „massiven Adoleszenzkrise“, sagte sein zweiter Verteidiger Johannes Pausch. Seines Erachtens sollte sein Mandant nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden: „Er ist ein Heranwachsender, ein Suchender.“ Inzwischen sei der tiefgläubige junge Muslim auf einem guten Weg: „Er scheint den Kompass gefunden zu haben.“ Pausch als auch Rosenkranz betonten, dass alle Angeklagten umfassende Geständnisse abgelegt hätten, die „zu einem erheblichen Strafrabatt führen müssen“. Daher beantragten sie, „unter einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren zu bleiben“.

Bereits in der vergangenen Woche hatten die Verteidiger von Gelowicz und Yilmaz ebenfalls für ein deutlich geringeres Strafmaß plädiert, als von der Anklage beantragt. Der Einblick, den Gelowicz mit seinem Geständnis in die Welt des Dschihadismus gegeben habe, sei als „überragend“ anzusehen, betonte sein Anwalt Hannes Linke. Der 30-Jährige habe sowohl die Strukturen der Islamischen Jihad Union (IJU) beschrieben als auch die Hintermänner benannt. „Derart werthaltiges Insiderwissen zur RAF, zur ETA, IRA oder PKK hätten Sie mit Kusshand genommen“, sagte Linke in Richtung von Bundesanwalt Brinkmann. Vor diesem Hintergrund und auch im Vergleich zu den Verurteilungen in den Verfahren um die deutschen Ableger der islamistischen Terrorgruppen Ansar-al-Islam und al-Tawhid seien die von der Anklage geforderten zwölfeinhalb Jahre Haft für Gelowicz eindeutig zu hoch. Linke bat um „die Verhängung einer wirklich angemessenen Strafe, ich beantrage einstellig».

Auch Ricarda Lang, die Anwältin von Yilmaz, forderte eine Strafe „weit unter den Vorstellungen der Vertreter des Generalbundesanwalts“, die für den 31-Jährigen elfeinhalb Jahre Haft verlangen. Sein Geständnis sei nicht nur das „authentischste und glaubhafteste“ gewesen, Yilmaz sei zudem die „treibende Kraft“ gewesen, die den Weg zu den umfassenden Aussagen aller Angeklagten geebnet habe. Mit seinem Urteil könne der Senat ein Zeichen setzen dafür, „dass die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden sich spürbar auszahlt“.

Als Letzte haben am heutigen Donnerstag die Verteidiger des vierten Angeklagten Attila Selek das Wort. Wegen Unterstützung der IJU hat die Bundesanwaltschaft für ihn eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren beantragt. Die Urteilsverkündung ist für den 4. März geplant.

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