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Urteil im DieselskandalEhemalige VW-Manager müssen ins Gefängnis

Prozess zur VW-Dieselaffäre endet mit Haftstrafen für vier Ex-Mitarbeiter. Weitere Prozesse laufen noch, darunter gegen Ex-Konzernchef Winterkorn.

Vier frühere VW-Führungskräfte sind wegen Betrugs im Strafprozess zur Dieselaffäre schuldig gesprochen worden, am 26.5.2015 Foto: Julian Stratenschulte/dpa

taz | Berlin Vier Jahre und 175 Verhandlungstage hat es gedauert. Jetzt hat das Landgericht Braunschweig in einem ersten Strafverfahren zur Dieselaffäre bei VW vier ehemalige Führungskräfte wegen Betrugs verurteilt. Sie sehen sich als Bauernopfer. Die wohl wichtigste Person stand nicht vor Gericht: der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn. Sein Verfahren ist aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Und auch Anleger müssen weiter warten, ob sie Entschädigung für Kursverluste bekommen.

Zwei der Ex-Manager müssen ins Gefängnis. Ein ehemaliger Leiter der Dieselmotorenentwicklung bekam viereinhalb Jahre. Der ehemalige Leiter der Antriebselektronik muss zwei Jahre und sieben Monate in Haft. Einen ehemaligen Abteilungsleiter verurteilte die Wirtschaftsstrafkammer zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Der ranghöchste Angeklagte, ein früher Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung (Az 6 KLs 411 Js 49032/15 (23/19)).

Die Staatsanwaltschaft hatte zwischen zwei und vier Jahren Gefängnis gefordert. Die Verteidiger verlangten drei Freisprüche und eine Verwarnung. Ob das Verfahren wirklich beendet ist, ist offen – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Strafrechtlich ist der Dieselskandal weiter nicht vollständig aufgearbeitet. Allein in Braunschweig laufen noch vier Verfahren gegen insgesamt 31 Angeklagte. Bei bisher 56 Beschuldigten wurden Verfahren oder Ermittlungen gegen Geldauflagen eingestellt.

Winterkorn ist gesundheitlich angeschlagen

Und was wusste Martin Winterkorn, langjähriger Konzernchef mit Hang zu Detailfragen? Womöglich wird es nie eine öffentliche Antwort geben. Winterkorn hätte bei dem Prozess in Braunschweig ursprünglich mit auf der Anklagebank sitzen sollen. Das Landgericht trennte sein Verfahren aber bereits zum Auftakt 2021 ab. Der ehemalige Manager, heute 78 Jahre alt, ist nach einem Unfall gesundheitlich angeschlagen, der Prozess unterbrochen. Wann und ob es weitergeht, ist unklar. Bei den wenigen Auf­tritten als Angeklagter und, in einem anderen Prozess, als Zeuge wies er jede Verantwortung für den Diesel­skandal von sich. Der Konzern äußerte sich zurückhaltend. Man sei nicht an dem Strafverfahren beteiligt und sehe „keine nennenswerten Folgen für Rechtsstreitigkeiten vor Zivilgerichten“, so ein Sprecher. Mehrere Autobesitzer mit manipulierten Dieselmotoren versuchen, Geld von VW zu erstreiten.

Auch Anleger, die sich geschädigt sehen, müssen noch auf ein Urteil warten. Der Prozess läuft noch. Der Kurs der VW-Aktie war nach Bekanntwerden der Mani­pulationen abgestürzt. Eine der entscheidenden Fragen: Ab wann wusste Winterkorn von den Tricksereien? Schließlich hätte er die Aktionäre sofort darüber informieren müssen. Manch Anleger erhofft sich noch einen Ausgleich für seine Verluste. Das Geld müsste Volkswagen zahlen.

Im September 2015 hatten die US-Umweltbehörde EPA und die gemeinnützige Organisation ICCT öffentlich gemacht, dass Dieselfahrzeuge von VW auf dem Teststand zwar die gewünschten Grenzwerte für Stickoxide einhielten, im Straßenbetrieb dann aber um ein Vielfaches überschritten. In Motoren des Typs EA189 waren illegale Abschalteinrichtungen verbaut. Die Steuersoftware erkannte den Testbetrieb und stellte den Motor entsprechend ein. In der Folge kam heraus, dass offenbar bereits seit den frühen 2000er Jahren beim VW-Konzern im Geheimen an den Tricks gearbeitet wurde.

Gute Folgen des Skandals

Winterkorn trat wenige Tage nach Bekanntwerden der Tricksereien im September 2015 zurück. Weltweit waren elf Mil­lionen Fahrzeuge betroffen. In den USA musste VW mehr als 100.000 Autos zurücknehmen. Den Konzern kostete der Skandal bisher rund 33 Milliarden Euro. Betroffen waren die Konzernmarken Audi, Seat, Skoda und VW. In der Folge des Skandals führte Europa eine neue Messmethode im echten Fahrbetrieb ein, die die Abgaswerte besser bestimmen soll. Der neue Standard RDE (Real Drive Emissions) löste das sogenannte Nefz-Verfahren ab, ein standardisierter Test auf dem Prüfstand.

Für den VW-Konzern hatte der Skandal 2015 auch eine gute Folge, wie einige Beobachter meinen. Das Unternehmen musste sich in Teilen radikal neu aufstellen und konzentrierte sich unter Winterkorns Nachnachfolger Herbert Diess auf E-Mobilität. Das Thema hatte Volkswagen bis dahin kaum verfolgt. Trotz vieler Probleme etwa mit der selbst entwickelten Software sind inzwischen reine Elektroautos im Programm. Chinesische Autohersteller sind allerdings immer noch weiter. Inzwischen leitet Oliver Blume den Volkswagen-Konzern.

Von den Spitzenmanagern des VW-Konzerns ist bisher nur einer verurteilt: Rupert Stadler. Das Landgericht München II sah beim ehemaligen Chef der Tochter Audi Betrug durch Unterlassen als erwiesen an. Stadler gestand. Im Gegenzug erhielt er ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung und musste 1,1 Millionen Euro Auflage bezahlen. Stadler ging nach dem Urteil in Revision, es ist nicht rechtskräftig.

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6 Kommentare

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  • Also 2 Ingenieure ins Gefängnis, die Manager (Chefs) auf Bewährung. Das geht in die Revision und plötzlich sind alle wieder frei. Kosten des Skandals: 1,52 Milliarden Euro.

    • @Joachim Kappert:

      Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland



      Art 3



      (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

      Oder gab es da einen anlassbezogene Änderung des Grundgesetzes ?

  • 1,1 Millionen Euro Auflage.



    Zwar nicht gerade die Portokasse aber weit, meilenweit, davon entfernt was der Mannn während der Betrugszeit eingeheimst hat.

  • Und sitzen die in einem richtigen Gefängnis, zusammen mit den bösen Jungs, oder gibts Gefängnisse für Gentelmenbetrüger?

  • Sie schreiben verharmlosend an drei Stellen von Tricks und Tricksereien. Ist mir auch in anderen Medien immer wieder aufgefallen. Wegen solcher Putzigkeiten geht man aber nicht in den Knast. Nennen Sie es doch eher, wie es das Gericht festgestellt hat, nämlich Betrug.

  • Nach der Verurteilung können und sollten diejenigen komplett auspacken und auch die Großkopferten ausleuchten.

    Obsolete Verbrennerproduktion erhielt hier noch früher den Genickschlag, der auch Made in Germany erschütterte.



    Vergiftet wurden 83 Mio. in der Bundesrepublik. Da hätte ich als Geschädigter gerne auch einen Anteil und die Schurken hinter Gittern.