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Urteil gegen russischen OppositionellenNawalny wegen Bauholz verurteilt

Alexej Nawalny darf möglicherweise nicht bei der Präsidentenwahl 2018 antreten. Ein Gericht sprach ihn wegen Unterschlagung von Holz schuldig.

Darf Alexej Nawalny jetzt nicht mehr russischer Präsident werden? Foto: dpa

Moskau/Kirow afp/dpa | Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist in seinem neu aufgerollten Prozess erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Ein Gericht in der Stadt Kirow sprach den bekannten russischen Blogger und Oppositionellen am Mittwoch wegen Veruntreuung schuldig. Nawalny kündigte umgehend an, trotzdem bei der für März 2018 geplanten Präsidentschaftswahl anzutreten. Nach dem erneuten Schuldspruch wird er möglicherweise aber nicht kandidieren dürfen.

„Gemäß der Verfassung habe ich das volle Recht, an der Wahl teilzunehmen und das werde ich auch“, sagte Nawalny nach der Urteilsverkündung vor Journalisten. Er werde zudem weiterhin die Interessen der Menschen vertreten, die sich Russland als „normales, ehrliches und nicht korruptes Land“ vorstellten.

Dem bekannten Kritiker von Präsident Wladimir Putin wird vorgeworfen, einer staatlichen Firma Bauholz im Wert von rund 16 Millionen Rubel (etwa 250 000 Euro) gestohlen zu haben. In dem Strafprozess war Nawalny bereits 2013 zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stufte den Prozess aber als unfair ein, das Oberste Gericht Russlands ordnete eine Neuaufnahme an.

Nawalny will bei der Präsidentenwahl 2018 antreten. Ob er nach dem Schuldspruch kandidieren darf, ist aber fraglich. Seine Anwältin Olga Michailowa sagte der Agentur Interfax, nach dem Wahlgesetz dürfe Nawalny wegen des Schuldspruchs nicht kandidieren, sofern das Urteil nicht zurückgenommen wird. Zugleich verwies sie darauf, dass die russische Verfassung lediglich jenen verbiete zu kandidieren, die im Gefängnis sitzen. Wie es etwa bei einer Bewährungsstrafe aussieht, ist demnach offen. Hier gebe es eine Kollision zwischen Wahlgesetz und Verfassung, meinte Michailowa.

Kein Ende der politischen Arbeit

Nawalny wirft den Behörden vor, mit dem Prozess seine Teilnahme an der Wahl verhindern zu wollen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, er halte solche Befürchtungen für unangebracht. Kritiker werfen Nawalny vor, sich mit dem Prozess interessant machen zu wollen und diesen deswegen gezielt mit seinem Wahlkampf in Verbindung zu bringen. „Wie auch immer das Urteil ausfällt, es stoppt unsere politische Arbeit nicht“, hatte er vergangene Woche in seinem Schlussplädoyer gesagt.

Präsident Putin hat sich noch nicht geäußert, ob er 2018 wieder antreten will. Beobachter rechnen aber damit. Neben Nawalny haben bereits der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski und der liberale Politiker Grigori Jawlinski von der Oppositionspartei Jabloko ihre Kandidaturen angekündigt. Ihnen werden aber kaum Chancen eingeräumt. Oppositionelle klagen in Wahlkämpfen in Russland immer wieder darüber, kaum Zugang zu kremlgelenkten Staatsmedien zu bekommen.

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3 Kommentare

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  • "Oppositionelle klagen in Wahlkämpfen in Russland immer wieder darüber, kaum Zugang zu kremlgelenkten Staatsmedien zu bekommen."

     

    Hmm. Deutsche Oppositionelle beklagen dies bei den deutschen Staatsmedien ja ebenso. Die deutschen sind nun entweder ebenfalls kremlgelenkt oder sie bewegen sich lediglich auf dem dem selben fragwürdigen Niveau.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @markstein:

      Die öffentlich-rechtlichen sind keine Staatsmedien. Deswegen werden sie auch nicht aus Steuern finanziert. Das bedeutet nicht eine völlige Absenz politischer Einflussnahme, diese sieht man beim BR und beim MDR deutlich. Da wäre deutlich mehr Wille zur Unabhängigkeit bei den Intendanten gefragt. Noch kritischer sehe ich allerdings die Einflussnahme der Kirchen, Schon weil Atheisten nicht auf diese Weise repräsentiert sind. In Rußland scheint die Kirche noch mächtiger zu sein als Putin. In Polen ist das wohl ähnlich. AfDler waren im letzten Jahr überproportional oft in Talkshows zu sehen, soviel zum angeblich fehlenden Zugang. Leider gibt es aber kein einziges Format, in der Alternativen zum Markt, wie Syndikate, diskutiert werden könnten. Es kann zwar Kritik am Kapitalismus geübt werden, aber Platz für eine Alternative gibt es eben keinen. Das liegt aber nicht an staatlicher Kontrolle, sondern an der kapitalistischen Ideologie, die nahezu alle Bereiche unseres Lebens durchzieht.

    • @markstein:

      Die Grünen und die Linke beklagen, dass sie keinen Zugang zu den Medien haben? Habe ich ja noch nie gehört. Sogar die fdp kriegt immer wieder die Gelegenheit in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihre Sichtweise darzustellen.

       

      Wenn Sie natürlich Aluhutträger, Pegidisten und andere Trolle für Oppositionelle halten, dann bin ich ganz froh, dass die ihren Unfug nicht noch mehr in die Öffentlichkeit blasen können. YouTube reicht doch eigentlich, oder?

       

      Was alleine die paar Hanseln und ihr wirres Geschwätz von der Dresdner Pegida an Raum in den Medien bekommen haben war doch schon völlig absurd.

       

      Insofern glaube ich, lieber Markstein, dass Sie die deutsche Presselandschaft einfach nicht genau genug im Blick haben, sonst würden Sie wahrscheinlich den Begriff Staatsmedien gar nicht verwenden.