Urteil gegen #MeToo-Aktivistin: Ein teurer Tweet
Die französische Journalistin Sandra Muller hatte per Tweet die Anmache eines Ex-TV-Produzent zitiert. Jetzt muss sie eine hohe Geldstrafe zahlen.
Dieser Tweet kostet die französische Journalistin Sandra Muller nun 20.000 Euro: „Du hast große Brüste. Du bist genau mein Typ. Ich werde dich die ganze Nacht zum Orgasmus bringen. Eric Brion, Ex-Chef von Equidia.“ Das entschied am Mittwoch ein Gericht in Paris nachdem der ehemalige Fernsehproduzent Eric Brion die Journalistin Muller wegen übler Nachrede verklagt hatte.
Muller gilt als Initiatorin der französischen MeToo-Bewegung und hatte Frauen in Frankreich dazu aufgerufen, unter dem Hashtag #balancetonporc (Verpfeif' dein Schwein) in Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Details und Namen der Übeltäter zu posten.
Genau das tat sie selbst mit Brion, der sie auf einer Veranstaltung in Cannes angebaggert hatte: Sie veröffentlichte seinen Spruch auf Twitter. Brion warf Muller daraufhin vor sie öffentlich verleumdet zu haben. Gegenüber der französischen Zeitung Le Monde gab er zu, sich Muller gegenüber unangebracht geäußert zu haben, das sei jedoch sein „Recht auf Flirten“.
Das Gericht in Paris hat entschieden, dass es sich im Fall Brion nicht um sexuelle Belästigung handelt. Davon könne erst nach wiederholten Vorfällen die Rede sein. Zudem lägen keine Beweise für eine Sexualstraftat vor. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass Muller Brions Namen in Bezug zu den Taten Harvey Weinsteins gesetzt habe. Der US-Filmproduzent wird beschuldigt, mehrere Frauen vergewaltigt oder sexuell belästigt zu haben.
Tweet habe zu „sozialer Isolation“ geführt
Der Weinstein-Skandal war 2017 Auslöser der weltweiten #MeToo-Kampagne. Mullers Tweet habe nun dazu geführt, dass Brions Name öffentlich diffamiert wurde, und habe so die „soziale Isolation“ Brions sowie die Trennung von seiner damaligen Freundin nach sich gezogen, erklärte das Gericht. Bis heute leide er an Depressionen und müsse Medikamente nehmen.
Muller hingegen verteidigte im Gericht ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und betonte, dass sexuelle Übergriffe auf Frauen ernst genommen werden müssten. Auch ihre Anwälte kritisierten das Urteil. Es sei nicht zeitgemäß und sende „kein positives Signal“ im Umgang mit sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Sie kündigten an, in Berufung gehen zu wollen.
Brion ist erst einmal erleichtert. Die Justiz habe festgestellt, dass er kein Schwein sei. Die #MeToo-Aktivistin zeigt sich indes kämpferisch: „Ich habe heute verloren, aber andere Frauen haben gewonnen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione