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Urteil gegen Journalisten in der TürkeiNun auch die Nationalisten

Sechs Journalisten der türkischen Zeitung „Sözcü“ wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Dabei ist das Blatt relativ regierungsfreundlich.

Seit dem Putschversuch 2016 steht die türkische Presse unter Druck (Protest in Hamburg 2017) Foto: dpa

Istanbul taz | Ein Gericht in Istanbul hat sechs Journalisten der regierungskritischen Zeitung Sözcü zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. So soll Chefredakteur Metin Yilmaz für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis, die anderen fünf Journalisten sollen zwischen zwei und drei Jahren in den Knast.

Gegen den Eigentümer der Zeitung, Burak Akbay läuft noch ein paralleles Verfahren, in dem das Urteil noch aussteht. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Zeitung die „Terrororganisation FETÖ“ unterstützt hat. FETÖ steht für die die islamische Organisation Hizmet des Sektenführers Fethullah Gülen, die in der Türkei als Drahtzieherin des Putschversuches vom Juli 2016 gilt. Fethullah Gülen lebt seit 1999 in den USA und ist bislang nicht ausgeliefert worden.

Die Journalisten standen nun dafür vor Gericht, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort ihre Arbeit gemacht haben. Als an jenem Nachmittag des 15. Juli 2016 nämlich erste Putschgerüchte aufkamen und alle wissen wollten, wo Präsident Erdoğan sich aufhält, fanden Sözcü-Journalisten heraus, dass Erdoğan mit seiner Familie Urlaub in einem Hotel in Marmaris machte. Dieses Hotel wurde etliche Stunden später, nachdem Erdoğan längst dort weg war, von Putschisten angegriffen. Dafür macht die Staatsanwaltschaft nun Sözcü zur Mitschuldigen.

Alles andere als islamistisch

Dabei ist es ein schlechter Witz, ausgerechnet Sözcü Unterstützung der Islamisten von Fethullah Gülens FETÖ vorzuwerfen. Sözcü ist ein kemalistisches Hardcore-Blatt, also geradezu dogmatisch säkular, und schwimmt im Übrigen auch auf genau der türkisch-nationalistischen Welle, die auch etliche regierungsnahe Zeitungen erfasst hat.

Den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien zum Beispiel hat das Blatt mit derselben Jubelberichterstattung begleitet wie die regierungsnahe Presse. Und gerade weil Söczü so ein nationalistisches Blatt ist, kann die Zeitung sich an anderer Stelle viel herausnehmen und Erdogan erstaunlich offen kritisieren.

Weil fast alle anderen großen Zeitungen mittlerweile direkt oder indirekt von der Regierung kontrolliert werden und deshalb nur noch Propaganda verbreiten, konnte Sözcü eine Lücke füllen und gehört jetzt zu den auflagenstärksten Zeitungen der Türkei. Der Besitzer Burak Akbay ist ein schillernder Geschäftsmann, der sich vor Jahren auch einmal in Deutschland ins Gespräch brachte weil er versuchte, die Frankfurter Rundschau zu kaufen.

Die jetzt verurteilten Journalisten sind noch auf freiem Fuß weil der Anwalt der Zeitung Celal Ülgun gegen das Urteil Einspruch erhoben hat und es nun eine Berufungsverhandlung geben wird.

„Sözcü“ fällt aus dem Rahmen

Sözcü fällt bei der ansonsten betriebenen Verfolgung von Journalisten etwas aus dem Rahmen. Mit den verurteilten Cumhuriyet-Journalisten oder dem Personal der Birgün, Zeitungen als, die eher die Linke repräsentieren, hat Sözcü nichts zu tun. Auch von verfolgten kurdisch-nahen Publikationen halten sie sich fern.

Um so bemerkenswerter, dass nun auch Sözcü-Leute verurteilt wurden. Obwohl insgesamt nach Aufhebung des Ausnahmezustandes im Sommer 2018 weniger Journalisten in Haft sind, liegt die Türkei auf der Liste der pressefeindlichsten Länder von Reporter ohne Grenzen immer noch auf Rang 157 von insgesamt 180 Ländern.

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1 Kommentar

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  • Die Frage, ob von den "Journalisten" tatsächlich Informationen an die Putschisten weitergegeben wurden, wo sich Erdogans Familie aufhält, mit dem Ziel, daß diese daraufhin dort angegriffen wird, darf schon die Staatsanwaltschaft interessieren. Die neuerliche Anwendung von der Türkei von den USA lässt ja tief blicken. Der Mut von Erdogan, einen Spagat Richtung Moskau und Peking hinzulegen genauso. Die Linie Johnson, Trump, Netanjahu löst offensichtlich Bedenken aus in Ankara, wobei bislang alle drei auch wieder die Brücke zur Türkei wieder aufgebaut haben. Macron hat die Tür ja voll zugehauen zur Türkei. Dabei hatten gerade die Franzosen die besten Karten dort. Auch die Deutschen haben ihre Chance bis auf Seehofer dort nicht genutzt. China hat sofort reagiert und Putin ebenfalls den diplomatischen Weg vorgezogen. Die Bundesrepublik steht ein wenig wie im Hemd da und man darf Seehofer danken, etwas besser die Ruhe bewahrt zu haben.