Urteil gegen Ex-„Bild“-Chefredakteur: Julian Reichelt verliert Rechtsstreit
In einem Blog war die Journalistin Janka Kluge bewusst als „biologischer Mann“ bezeichnet worden. Ein Gericht hat Reichelt nun die Wortwahl verboten.

In dem Blog war im Februar ein Artikel veröffentlicht worden, in dem Kluge zunächst als „Transfrau“, später aber als „biologischer Mann“ und „über 60-jähriger Mann“ bezeichnet wurde. Ausgangspunkt des Texts war die finanzielle Unterstützung einer gemeinnützigen Stiftung für Kluge bei einem Rechtsstreit zwischen ihr und einer Biologin. Dabei wurde Kluge abgemahnt, weil sie die Frau in einem Tweet falsch zitiert hatte. Das Landgericht gab einem Eilantrag Kluges gegen Reichelts Blog im März statt. Diese Entscheidung bestätigte das Gericht nun.
Eine scharfe und aggressive Sprache sei im Rahmen der freien Rede prinzipiell erlaubt, urteilten die Richter. Im Gesamtkontext des veröffentlichten Texts könne die Äußerung „über 60-jähriger Mann“ jedoch nicht als bloße neutrale Feststellung des biologischen Geschlechts verstanden werden. Die Wortwahl sei ein bewusstes Stilmittel, um einen plakativen Kontrast zur jungen Biologin herzustellen und Kluge als frauenhassenden Mann darzustellen.
Kluge bekam auch in einem weiteren Fall am Donnerstag Recht: Sie ging gerichtlich gegen einen weiteren Blog vor, verzichtete jedoch auf Unterlassungsansprüche. Daraufhin wurde auf dem Blog ein Artikel mit der Überschrift: „Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ veröffentlicht. Im April war Kluge mit einer Unterlassung erfolgreich. Auch diese Entscheidung wurde nun bestätigt.
Persönlichkeitsrecht verletzt
Zwar sei die Grenze der Schmähkritik nicht überschritten, Kluges Persönlichkeitsrecht sei aber verletzt worden, urteilten die Richter. Das Wort „Transe“ sei umgangssprachlich abwertend und kein neutrales Kurzwort für einen transsexuellen Menschen. Durch das Attribut „totalitär tickend“ werde die Äußerung noch verstärkt. Die Komponente „zieht den Schwanz ein“ stelle eine Assoziation zum männlichen Geschlechtsteil her und richte den Fokus auf die Frage seines Nichtvorhandenseins bei Kluge.
In einem dritten Fall scheiterte eine andere Transfrau bei einer Unterlassungsklage. Die Aktivistin für Transrechte hatte auf Twitter zur Unterstützung für das Selbstbestimmungsgesetz aufgerufen, mit dem der Geschlechtseintrag beim Standesamt geändert werden kann. Die Antragsgegnerin veröffentlichte einen Kommentar mit dem Zusatz „#DubistEinMann“.
Die Kammer sah in diesem Kommentar eine Meinungsäußerung, weil der wertende Charakter im Vordergrund stehe. „#DubistEinMann“ beinhalte weder eine Schmähkritik noch eine Beleidigung. Der Kommentar sei im Kontext der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über den Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes veröffentlicht worden. Das Schlagwort „#DubistEinMann“ sei auch zuvor schon auf Twitter benutzt worden. Das Wort „du“ beziehe sich in diesem Fall nicht auf ein bestimmtes Individuum.
🏳️⚧️ SHANTAY. YOU PAY. 🏳️🌈
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Informationen auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich aber leisten kann, darf einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Einwanderung und Extremismus
Offenheit, aber nicht für Intolerante
CDU-Länderchefs gegen Bundestagsfraktion
Sexuelle Identität entzweit Union
Straße wird umbenannt
Berlin streicht endlich das M-Wort
Verkehrswende in Paris
Blick in die Zukunft
Koloniale Spuren in Berlin
Gericht stoppt Umbenennung der „Mohrenstraße“
Nicht-binärer Geschlechtseintrag
Zweitpass gegen Diskriminierung auf Reisen