Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts: Vielfalt bleibt erlaubt
Eltern verlieren Klage: Eine selbst gemalte Regenbogen-Flagge im Hort einer Grundschule in Berlin-Köpenick darf hängen bleiben.
Die Eltern und ihre Tochter sahen im Aufhängen der Flagge einen Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht und verlangten von der Schule, die Flagge abzuhängen. Die von ihnen verklagte Senatsbildungsverwaltung sah das grundlegend anders. Die Flagge repräsentiere Vielfalt und Toleranz und stehe im Einklang mit demokratischen Werten.
In dem Fall handelt es sich um eine selbstgemalte „Progress-Pride-Flagge“ im Format DIN A3, das zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Dezember 2024 an einer Tafel eines Hortraumes hing. Neben den Regenbogenfarben, die die LGTB+-Community repräsentieren, bildet es die Farben der Intersex-Community und der People of Color ab.
Klage über „Wokeness“
Das Aufhängen der Flagge sei eine einseitige politische Beeinflussung durch die Schule, die in einem Kontext stattfinde, über den die Schulkinder aber nicht aufgeklärt würden, sagte Kläger-Anwalt Florian Landrebe.
Zudem stehe die Flagge für eine spezifische, „woke Lebensart“. Damit trage die Schule zu einer weiteren „Polarisierung des Staates“ bei. Neben der politischen Dimension sei in der Flagge auch eine sexuelle Dimension angelegt, die nicht altersgerecht sei.
Die Gegenseite argumentiert, die Flagge stehe für „die Vielfalt und Toleranz verschiedener Geschlechter und Lebensformen“, wie ein Vertreter der Schulaufsicht Treptow-Köpenick sagt. Es gehe nicht um eine Meinung oder Ansicht, sondern um den Schutz der Diversität von Identitäten, für die die Schule einstehe.
Gericht widerspricht
Nach drei Stunden fiel das Urteil. Das staatliche Neutralitätsgebot verlange nicht, dass im erzieherischen Bereich auf die Darstellung wertender Inhalte verzichtet wird, sagte Richterin Rautgundis Schneidereit: „Die Erziehung in der Schule muss und darf nicht wertfrei sein.“ Eine Überschreitung der Schwelle zur „unzulässigen politischen Indoktrinierung“ lasse sich nicht feststellen.
Soweit die Flagge das Selbstverständnis bestimmter Gruppen und deren Recht zur freien Identitätsbildung symbolisiere, sei sie mit verfassungsrechtlichen und auch schulgesetzlichen Vorgaben vereinbar, so das Gericht. Insbesondere sei die Entscheidung, mit der Flagge ein Schutzsymbol für betroffene Personen im Hort zu setzen, nicht zu beanstanden.
Gegen das Urteil kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
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