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Urteil Tierquälerei in Bio-HühnerställenMDR darf Undercover-Filme senden

Der Bundesgerichtshof urteilte, der Sender dürfe geheime Aufnahmen leidender Hühner zeigen. Die Pressefreiheit sei wichtiger als das Ansehen des Betreibers.

2012 schien es den Hühern der Fürstenhof GmbH noch ganz gut zu gehen Foto: dpa

Karlsruhe/Leipzig epd | Heimlich aufgenommene Filmaufnahmen über Missstände in Bio-Hühnerställen dürfen in einem kritischen TV-Beitrag zur Massentierhaltung gezeigt werden. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe urteilte, ist die Pressefreiheit und das öffentliche Interesse an den Zuständen der Tierhaltung höher zu bewerten, als das Ansehen und der Ruf des Hühnerstall-Betreibers. Der Erzeugerzusammenschlusses der Fürstenhof GmbH aus Mecklenburg-Vorpommern hatte den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) wegen eines Beitrags über die Bio-Hühnerhaltung auf Unterlassung verklagt. (AZ: VI ZR 396/16)

Der MDR begrüßte das BGH-Urteil. „Das ist ein guter Tag für die Pressefreiheit und eine Stärkung der investigativen Recherche“, erklärte MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi in Leipzig. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hatte 2012 in der Reihe ARD Exklusiv und in der Sendung „Fakt“ über Missstände in Bio-Hühnerställen des Erzeugerzusammenschlusses berichtet. In dem Beitrag wurden auch heimlich aufgenommene Filmaufnahmen verwendet, die ein Tierschützer dem MDR zur Verfügung gestellt hatte. Diese zeigten unter anderem Hühner mit wenigen Federn sowie tote Hühner.

Die Erzeugergemeinschaft hielt die Veröffentlichung für rechtswidrig und verklagte den MDR auf Unterlassung, die Aufnahmen weiter zu verbreiten. Ihr Unternehmerpersönlichkeitsrecht und ihr Recht an der Ausübung des Gewerbebetriebs würden damit verletzt. Ihre Tierhaltung verstoße nicht gegen geltendes Recht. Die vorinstanzlichen Gerichte verurteilten den MDR zur Unterlassung.

Der BGH verwies nun jedoch auf den hohen Stellenwert der Pressefreiheit und die Rolle der Medien als „Wachhund der Öffentlichkeit“. Zwar könne die Ausstrahlung den Ruf und das Ansehen des Hühnerstall-Betreibers beeinträchtigen. Auch werde das Interesse des Klägers berührt, seine „innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten“. Dennoch sei die MDR-Veröffentlichung rechtmäßig.

Der BGH verwies nun jedoch auf den hohen Stellenwert der Pressefreiheit und die Rolle der Medien als Wachhund der Öffentlichkeit.

Der Sender habe sich an den rechtswidrig erstellten Filmaufnahmen nicht beteiligt. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse würden nicht offenbart. Vielmehr werde die Art der Hühnerhaltung dokumentiert und der Zuschauer darüber zutreffend informiert. Der Filmbeitrag setze sich kritisch mit der Massentierhaltung auseinander und stelle die tatsächlichen Tierhaltungsbedingungen den von der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards gegenüber.

Der BGH betonte, es gehöre zur Aufgabe der Presse, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse sei nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.

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8 Kommentare

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  • Auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Klar ist das Einbrechen in eine Firma unrechtmäßig. Doch zeigt man dadurch tierisches Leiden oder gesundheitliche Risiken für den Konsumenten auf, sollte diese Beobachtung juristisch geschützt werden.

  • Schön, dass der Wahrheit "die Ehre" gegeben wird.

     

    "Der BGH betonte, es gehöre zur Aufgabe der Presse, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse sei nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt."

     

    Wie wäre es dann damit, endlich auch jeden Betrug am Verbraucher nicht als "geschäftsschädigend" abzutun und endlich die Namen der Unternehmen zu veröffentlichen, die Gammelfleisch und andere "Schweinereien" "an den Verbraucher" bringen?!

    Wieso werden die nicht öffentlich gemacht, lieber Bundesgerichtshof ?

    • @Frau Kirschgrün:

      Das hat wohl schlicht noch keiner durchgeklagt. Angeblich sollen solche Klagen ja grundsätzlich auch nur dann zugelassen werden, wenn sie von einer Verbraucherberatungsstelle, oder einer damit vergleichbaren Institution eingereicht werden.

      Vielleicht kann hier ja mal jemand, der sich damit auskennt, die Rechtslage und die Voraussetzungen für solche Klagen kurz darstellen.

      Vom Gesetzgeber wird man in dieser Richtung auch bei dieser GroKo jedenfalls praktisch Nullkommanichts erwarten dürfen.

      • @Rainer B.:

        Von dieser GroKO erwarte ich in KEINER Richtung auch nur irgend etwas. Das ist ja das Drama.

         

        Aber da könnten mal "die Richtigen" zur Rechenschaft gezogen werden…

  • Eine gute Entscheidung. Alles andere wäre ja auch kaum zu vermitteln gewesen.

    • @Rainer B.:

      Stimmt wohl. Leider scheinen die Vorinstanzen mit der Vermittlung weniger Schwierigkeiten gehabt zu haben.

      • @nanymouso:

        Das hat weniger mit der Vermittlbarkeit zu tun, als vielmehr mit dem, was man konkurrierende Rechtsprechung und konkurrierende Gesetzgebung nennt.

        Wo Rechtsstreitigkeiten bei Bundesgerichten landen, bilden deren Urteile einen verbindlichen Abschluss für alle Ebenen - es sei denn, sie werden vom Bundesgericht selbst auf die Landesebene zurückverwiesen. Die Kriterien, nach denen Bundesgerichte urteilen, unterscheiden sich des Öfteren sehr grundsätzlich von den Kriterien der Vorinstanzen und kommen nicht selten auch dem allgemeinen Rechtsempfinden damit näher.

  • "Eine Zensur findet nicht statt."

    Gute Entscheidung: Wer sich wie das letzte A****loch Tiere quält muss auch damit rechnen, dass das an die Öffentlichkeit kommt.

    Verbrechen sollte sich wieder nicht mehr lohnen!