Urlaub auf Gran Canaria: Gelsenkirchener Barock
Für deutsche Touristen auf Gran Canaria steht und fällt der Urlaub mit einer Frage: Wo ist die Kneipe, in der es Bundesliga und deutsches Bier gibt?
D ieses Jahr mache ich Urlaub auf Gran Canaria, dem 18. Bundesland. Auf Malle, dem 17., war ich bereits. Ein kleines Fazit kann ich bereits nach einigen Tagen ziehen. Erstens: Ich habe hier bisher noch keinen einzigen Kanarienvogel gesehen. Das ist wahrscheinlich auch nur so ein Werbegag, wie die Bremer Stadtmusikanten, die noch nicht mal in Bremen angekommen sind.
Und zweitens: Auch hier wird die Drecksarbeit, wie in allen anderen deutschen Bundesländern, von Gastarbeitern gemacht. Alle Taxifahrer, Straßenkehrer, Putzfrauen und Kellner sind schwarzhaarige Ausländer, die kein Wort Deutsch verstehen.
Als ich am Mittag an der Rezeption vorbeigehe, sehe ich eine Gruppe junger Männer aus Deutschland, die gerade angekommen sind. „Was sollen wir denn hier in der Wüste? Wie heißt das Kaff hier überhaupt?“, flucht der eine mit der Schalke-04-Pudelmütze auf dem kahl geschorenen Kopf.
„Sie befinden sich hier in Taurito“, antwortet die nette Hotelmanagerin.
„Pass mal auf, Schwester“, rülpst der andere mit dem blauen Schalke-04-Trikot, „wir kommen schon seit zehn Jahren nach Gran Canaria! Aber was sollen wir denn in diesem Drecksloch hier?“
„Nun, wir haben einen sehr schönen Strand, einen herrlichen Pool und das ganze Jahr über ein sehr angenehmes Klima.“
„Schöner Strand, angenehmes Klima – was soll ich denn mit dem ganzen Scheiß? Ich will Urlaub machen! Hier gibt’s nirgendwo eine anständige deutsche Kneipe und deutsches Fernsehen, wie sollen wir denn Bundesliga gucken? Das ist kein Hotel, das ist ein Straflager!“, ärgert sich der mit der Trikotnummer Zehn auf dem Rücken.
„Jungs, am Freitag spielt Schalke in Wolfsburg, es geht um den Abstieg“, gieße ich ganz dezent noch mehr Öl ins Feuer.
„Letztes Jahr hatten wir in Playa del Inglés alles perfekt: ordentliche Kneipen mit anständigem Bier, vernünftigem deutschen Essen und Bundesliga aus der Satellitenschüssel.“
„Das tut mir leid, aber Sie haben für Taurito gebucht. Das ist dann wohl ein Fehler Ihres Reisebüros in Castrop-Rauxel“, entgegnet die höfliche Dame aus dem Hotel.
„Wir haben der Frau im Reisebüro gesagt: Gran Canaria! Woher sollen wir wissen, dass es hier auch noch andere Orte gibt?“
„Ohne Bier und Fußball im Fernsehen flippen die Jungs im Urlaub völlig aus. Die liegen doch nie am Strand, sondern in der Kneipe“, meldet sich zum ersten Mal die unscheinbare junge Frau hinter den Schalke-Fans.
„Genau. Ich schick die Alte auf den Grill und dann ballere ich mir einen im 'Alt Düsseldorf’. Das ist Urlaub!“, grölt der mit dem blauweißen Schal, der inzwischen angefangen hat, mörderisch zu schwitzen.
„Sie können leider nicht zu unserer Anlage in Playa del Inglés hinüberwechseln, dort sind wir völlig ausgebucht“, beendet die Managerin das Gespräch.
„Komm, Jörg, die verarschen uns doch nur. Lass uns sofort wieder zurückfliegen. Dann sind wir am Freitag live im Stadion dabei.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut