Urheberrechtsabkommen in Polen: ACTA ad acta?
Polens Netznutzer protestierten mit Angriffen auf Regierungs-Websites und schwarzen Seiten, hoffen aber aufs EU-Parlament. Es soll das Urheberrechtsabkommen kippen.
WARSCHAU taz | Cyber-Kriege kannte Polen bislang nicht. Doch seit Tagen bricht eine Regierungs-Website Poles nach der anderen unter Hacker-Angriffen zusammen. Der Grund: Polens Regierung will ACTA unterzeichnen, das internationale Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums im Internet.
Viele polnische Internet-Nutzer fürchten nicht nur, dass Acta ein Zensurgesetz nach sich ziehen werde, sondern auch, dass sie selbst – allein durch ihre Aktivität im Internet – einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sein könnten. Denn die Kommunikation im Internet besteht im gegenseitigen Austausch von Texten, Filmen, Songs, Cartoons und Fotos.
Polnische Hacker-Organisationen wie "Anonymous" oder "Polish Underground" simulieren daher seit dem Wochenende den gleichzeitigen Zugriff zehntausender Nutzer auf die Websites der Regierung, des Parlaments, des Außenministers und des Präsidenten, hinterlassen auch schon mal ein witziges Filmchen, einen fettgedruckten Protest oder schlicht einen schwarzen Zensur-Balken. So wollen sie verhindern, dass Polens Regierung das Abkommen unterzeichnet.
"Wir lassen uns nicht erpressen", sagt Premier Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform. Das Abkommen werde wie geplant am Donnerstag in Tokio unterschrieben. Bogdan Zdrojewski, Polens Kulturminister, versicherte, dass Acta lediglich den Schutz des geistigen Eigentums in den wichtigsten Industriestaaten harmonisieren solle.
Neben dem Schutz des Urheberrechts betreffe es insbesondere Markenpiraterie, Arzneimittelfälschungen und Raubkopien von Filmen, Musik-CDs, und Computerprogrammen, die man demnächst international effektiver bekämpfen wolle.
Zu spät, sagt der Minister
"Alle europäischen Staaten haben unterschrieben. Es ist ein bisschen zu spät, nicht zu unterschreiben", sagte Michal Boni, der für Internetangelegenheiten zuständige Minister, in einem Radio-Interview.
Polen habe sich seit 2008 an den Beratungen über das Internetgesetz beteiligt und könne nun nicht einfach aussteigen. Da das Abkommen noch vom Parlament ratifiziert werden müsse, um es rechtsgültig werden zu lassen, würden die Konsultationen mit den Internet-Nutzern in den nächsten Monaten geführt.
Kritiker wenden ein, dass die Reihenfolge falsch sei und die Betroffenen zuerst gehört werden müssten, bevor ein internationaler Vertrag unterzeichnet werde, der ihre Rechte stark einschränke.
Tatsächlich ist seltsam, dass das Abkommen ab 2006 von den USA und Japan sowie ab 2008 auch von der EU und Staaten wie Kanada, der Schweiz, Südkorea, Singapur, Australien, Neuseeland, Mexiko und Marokko unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurden. Als Berater scheinen in erster Linie die entsprechenden Industrie-Lobbys fungiert zu haben.
Angst vor einer Internet-Polizei
Acht Staaten haben das Abkommen bereits unterzeichnet, am 16. Dezember 2011 auch der Europäische Rat – allerdings wiederum seltsamerweise – in einer nichtöffentlichen Sitzung des Agrar- und Fischereirates.
Das wenig transparente Verfahren weckt nun bei Internet-Nutzern in immer mehr Staaten den Verdacht, dass durch die Hintertür eines internationales Vertrages ein neues Strafrecht etabliert werden soll, das am Ende die Meinungsfreiheit massiv einschränken werde. Eine eigene Internet-Polizei werde womöglich soziale Netzwerke wie Facebook überwachen und dann nicht mehr erlaubte Verlinkungen von Filmen, Fotos oder Songs zur Anzeige bringen. Es drohe die Kriminalisierung weiter Bereiche des Internets.
Die Stiftung Panoptykon, die sich unter anderem für besseren Datenschutz einsetzt, hofft auf Straßburg. "Wenn das Europäische Parlament in Straßburg dem Abkommen nicht zustimmt, kippt der ganze Vertrag", ist die Panoptykon-Vorsitzende Katarzyna Szymielewicz überzeugt. "Das wäre die Rettung."
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