Urheberrechts-Experte Spielkamp zu kino.to: "Noch keine Urteile zu Streams"
Wer kino.to geschaut hat, muss wohl keine Abmahnung erwarten, sagt Matthias Spielkamp von irights.info. Selbst Hollywood-Filme könnten legal verfügbar sein. Rechtlich ist vieles ungeklärt.
taz: Wenn ich ein Musikstück aus einer Filesharingbörse herunterlade, riskiere ich eine Abmahnung zu erhalten und am Ende tausende Euro zahlen zu müssen. Wie ist das bei Streaming?
Matthias Spielkamp: Das ist schwer zu sagen. Zum einen kommt man den Leuten, die sich Stream ansehen, einfach schwer auf die Schliche, weil nur der Anbieter weiß, wer es ist. Außerdem ist es ungeklärt, ob es überhaupt rechtswidrig ist, sich Streams anzusehen. Genauso übrigens bei Downloads aus Filesharing-Börsen.
Was? Wurden die Downloads nicht im "Zweiten Korb" der Urheberrechtsnovelle kriminalisiert?
Das ist rechtlich ungeklärt. Die Rechteinhaber sagen das zwar, sie operieren mit dem Begriff der "offensichtlichen Rechtswidrigkeit". Praktisch ist das jedoch sehr schwer zu beurteilen, was genau "offensichtlich" ist. Weiterhin wird ja keiner für das Downloaden belangt, sondern stets für das "Bereitstellen" von Musikstücken. Längst nicht alle Urheberrechts-Experten gehen davon aus, dass ein Download zwangsläufig rechtswidrig ist. Und deswegen ist auch die Lage bei kino.to schwer zu beurteilen. Genauso wie zu Downloads aus dem Netz gibt es auch zu Streams noch keine Gerichtsurteile.
Wieso ist das so kompliziert? Wenn ich mir ein Stück von Madonna auf Youtube anhöre, dann ist doch klar, dass das rechtswidrig ist, sie ist doch bei einem großen Label?
MATTHIAS SPIELKAMP ist Journalist und Projektleiter von irights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt. Als Sachverständiger war er zur Anhörung zum Urheberrecht der Internet-Enquete geladen.
Ob Streams im so genannten "Dritten Korb" der Urheberrechtsnovelle eigens reguliert werden, ist noch nicht bekannt. Aktuell arbeitet das Justizministerium an einem Referentenentwurf, der vermutlich im Herbst 2011, auf jeden Fall aber noch in dieser Legislaturperiode in den parlamentarischen Prozess starten wird.
Hm, da gibt es zwei Antworten. Viele Künstler, zum Beispiel Lady Gaga, kann man sich in etwa den USA auf Youtube ansehen – das gehört zu Gagas Geschäftsmodell. In den USA gibt es auch den Dienst Hulu, bei dem man sich ganz legal Fernsehserien ansehen kann. Und natürlich ist es theoretisch vorstellbar, dass ein großes US-Filmstudio mit kino.to Verträge gemacht hat. Was ich damit sagen will: Die von den Rechteinhabern gern angeführte "offensichtliche Rechtswidrigkeit" ist für den Nutzer eben nicht so einfach feststellbar, wie sie gerne sagen. Dennoch meine ich, dass medienkompetenten, erfahrenen Internetnutzern bei kino.to klar sein sollte, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht. Das ist aber trotzdem noch etwas anderes als eindeutig zu wissen: "Das ist rechtswidrig".
Aber ist es nicht völlig klar? Es wurde jetzt ja auch gesagt, wenn jemand eine .to-Domain bucht, dann will er da garantiert etwas tun, wobei er nicht erwischt werden will?
Das geht zu weit. Viele Nutzer im Internet wissen ja nicht einmal, wofür .to steht. Das ist eine Wunschvorstellung der Rechteinhaber.
Die wollen ja jetzt auch bestimmt gern an die Nutzerdaten …
… wenn die von kino.to gespeichert wurden und nicht gut geschützt sind, und die Server nicht gerade auf Tonga stehen, dann könnten die Ermittler zumindest an die IP-Adressen kommen. Aber zum einen ist noch nicht klar, ob sie überhaupt gespeichert wurden, zum anderen bräuchte man eine richterliche Anordnung, um die IP-Adressen in Klarnamen zu verwandeln. Und das funktioniert eigentlich nur, wenn klar ist, dass das Schauen von Streams eindeutig rechtswidrig ist. Und das ist ja eben noch nicht eindeutig geklärt.
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