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Urbane Befindlichkeiten

■ Lobhudelei neben kulturpessimistischem Lamento, aber auch sachkundige Kontroversen in der achten Ausgabe des Jahrbuchs „Architektur in Hamburg“

Bereits zum achten Mal ist das Jahrbuch „Architektur in Hamburg“ erschienen – eigentlich ein viel zu eng gefaßter Titel. Immerhin umfaßt das Themenspektrum neben Analysen einzelner Gebäude, Betrachtungen städtebaulicher Ambiente auch kritische Überlegungen zur Zukunft der Stadt. Berücksichtigt ist auch das Schaffen Hamburger Architekten außerhalb der Hansestadt.

Das Büro Gerkan, Marg & Partner ist nicht nur mit dem Hamburger Bau des Deutsch-japanischen Zentrums vertreten, dem Claus Käpplinger ein gelungenes Inneres, aber eine zu steife Fassade attestiert. Der problematischen städtebaulichen Situation um den Nachbarn Steigenberger Hotel vermag, so der Autor, die spannungsarme Außenhaut auch keine lebendigen Impulse zu geben. Die große Messehalle in Leipzig, ebenfalls ein Projekt des Architektenbüros, beleuchtet Christian Marquardt vor dem Hintergrund der Geschichte der Glasarchitektur; Wolfgang Kil unter städtebaulichen und ökologischen Gesichtspunkten. Letztere sieht er in „Volkwin Margs Apotheose grenzenloser Machbarkeit“ unberücksichtigt. Dies sind nicht die einzigen scharfen Töne im Jahrbuch.

Wenn Till Briegleb den neuen Hafenbahnhof des Büros „me di um“ als einzigen „Hamburger Bahnhofsneubau seit Kriegsende“ lobt, der als „gelungene Architektur“ gelten könne, ist das gleichzeitig ein Verdikt gegen die Neugestaltungen der großen Fernbahnhöfe, die nicht schöner, nur gleicher geworden sind.

Kritische Bemerkungen gelten auch der Zukunft der Stadtkultur. Gert Kählers Kommentar zum Verweis der Hinz & Kunzt-Verkäufer aus dem Alstertal-Einkaufs-Zentrum und zur neuen bewachten Saubermannkultur fällt prägnanter aus, als Ulrich Greiners, im bewährten Zeit-Feuilletonstil verfaßtes, Lamento über den Verfall des öffentlichen Raumes und über die Vergnügungskultur.

Konkreten Hamburger Ambienten gelten weitere Betrachtungen: dem Wallring (Frank Pieter Hesse) oder der Langeweile von Allermöhe-West (Gert Kähler). Dirk Meyhöfer bewanderte die Hamburger Brücken sowie das Elbufer zwischen Altona und Gruner & Jahr-Gebäude als „Collage der urbanen Befindlichkeiten“: „Zwischen Fischauktionshalle und Neumühlen ist man hemdsärmelig, gnadenlos echt.“ Der Einfall der Designer-Schickeria durch das Stilwerk kam wohl erst nach Redaktionsschluß, denn die gewünschte „Ambivalenz, Auffrischung des proletarischen Elements durch das Heutige“ kann der Autor hier wohl kaum gefunden haben.

Bisweilen wird die Diktion des Jahrbuchs fad. So werden altbekannte Stoßseufzer auf den mangelnden Rang Hamburgs als Architekturstadt breitgetreten. Amber Sayahs Porträt über das Büro Markovic, Ronai, Lütjen, Voss, bekannt für die gläserne Rundung des Ost-West-Hofs (1993), fällt wie der Text für eine Werbebroschüre aus. Und das uncharmante, von Blau durchsetzte Layout des Buches würde besser zu einer medizinischen Studie passen. Ein paar frische Autoren mehr könnten den Jahrbüchern auch nicht schaden. Aber der In-Szene soll das Ganze, jetzt schon zu „journalistisch“ sein. Architektur geht alle an. Ist das Nachdenken über sie nur Spezialisten erlaubt? Ludwig Seyfarth

„Architektur in Hamburg“, Jahrbuch 1996, herausgegeben von der Hamburgischen Architektenkammer, Redaktion: Dirk Meyhöfer und Ullrich Schwarz, 184 Seiten, 180 Abbildungen, Junius Verlag, 68 Mark

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