piwik no script img

„Unverzüglich zur Tat schreiten“

■ Polizeiskandal: Untersuchungsausschuß will Akten beschlagnahmen / Senat klagt dagegen vor Gericht / Reimers sagte wenig aus Von Kai von Appen

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) „Polizei“ wird heute mit der Beschlagnahme von 1800 Polizei-, Staatsanwaltschafts- und Disziplinarakten beginnen, die im Zusammenhang mit dem Polizeiskandal stehen. Das haben die PUA-Mitglieder gestern abend einstimmig beschlossen. „Es ist jetzt an der Zeit, unverzüglich zur Tat zu schreiten“, so der PUA-Vorsitzende Karpen (CDU). Wenn Polizei und Innenbehörde die Herausgabe der Akten weiter verweigere, werde der PUA Amtshilfe in ,Anspruch nehmen. Karpen: „Das kann durch Polizei, Staatsanwaltschaft, BGS oder BKA erfolgen.“

Der Hamburger Senat hingegen will weiterhin die Beschlagnahme verhindern. Er beschloß gestern, das Hamburgische Verfassungsgericht anzurufen, um per Einstweiliger Anordnung den Beschluß des Amtsgerichts von voriger Woche auf Herausgabe der Akten zu kippen. Das Verfassungsgericht wird aber erst heute früh (22. 2.) über diesen Antrag entscheiden.

In seiner gestrigen Vernehmung vor dem PUA hat Ex-Innenstaatsrat Dirk Reimers bestritten, im Fall Dialle D. – der zum Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann im September vorigen Jahres geführt hatte – die Order des Senators sabotiert zu haben. Der Rücktritt Hackmanns sei vielmehr ein langjähriger Prozeß des „Verschleißes“. Reimers widersprach den Angaben Hackmanns vor dem PUA Polizei, wonach er am 8. September 1994 – nachdem die taz hamburg den Fall Dialle D. aufgedeckt hatte – aus einer Presseerklärung Hackmanns die Passage gestrichen habe, daß die beiden Prügelpolizisten in den Innendienst zu versetzen seien. Reimers: „Es gab keinen schriftlichen Entwurf des Senators, wo ich etwas herausgestrichen habe.“

Angeblich habe ihn Hackmann am Abend in einem Telefonat „freie Hand“ gegeben, die Endfassung der Presseerklärung selbst zu formulieren – was Hackmann vehement bestreitet. Aufgrund eigener Recherchen und „Verwaltungsermittlungen“ sei er zu dem Schluß gekommen sei, daß die Beamten nicht im Dienst gewesen seien, als sie D. verprügelten. Es habe sich also nicht um „Polizeiwillkür“ gehandelt, und deshalb habe er die Passage über die Versetzung nicht übernommen.

Der PUA-Vorsitzende Karpen erstaunt: „Wie konnten Sie mit zwei Telefonaten klären, was die Staatsanwaltschaft in einem halben Jahr nicht klären konnte und was heute noch strittig ist.“ Reimers: „Ich bedaure, daß ich nicht die Vorstellung des Senators getroffen habe.“

Reimers bestritt auch, auf einer Sitzung mit der Leitung der Ausländerbehörde am Tag des Hackmann-Rücktrittes ein Rundschreiben verhindert zu haben, in dem Schikanen durch Behördenmitarbeiter gegenüber Nicht-Deutschen angeprangert werden sollte. Hackmann hatte vor dem PUA ausgesagt, Reimers habe den Brief mit der Begründung abgelehnt, dadurch würden Vorwürfe der GAL und der taz hamburg gegen die Ausländerbehörde bestätigt. Er habe, so Reimers gestern, nur vor einer „Pauschalisierung“ und der „Gefahr“ von Mißverständnissen gewarnt. Reimers: „Wenn da zum Beispiel drinsteht, ab heute sind wir ausländerfreundlich, dann heißt das doch, bislang waren wir ausländerfeindlich.“

Die Vernehmung von Reimers wird in der nächsten Ausschuß-Sitzung fortgesetzt. Schon gestern hat die GAL die Vereidigung des Zeugen beantragt, da seine Aussagen denen von Hackmann „diametral“ gegenüberstehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen