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Unverdiente Schande im Sängerstreit

■ Germany, 12 Points zeigt, warum Deutschland beim Grand Prix immer versagt

Nicole war als Interpretin von „Ein bißchen Frieden“ ein Notnagel. Eigentlich hätte Renate die Heulnummer über Nächstenliebe singen sollen, scheiterte aber an mangelnder Gitarrenbeherrschung. Das hat die Sängerin bis heute nicht verwunden. Mit ihrem Showpartner Roger wohnt Renate in einer Art Promi-Klapsmühle, bemitleidet und beweihräuchert sich.

Seit Deutschland wegen Niveaulosigkeit aus dem Grand Prix de la Chanson geflogen ist, arbeiten Hubertus Borck und Alexandra Doerk alias Bo Doerek an ihrem Programm Germany, 12 Points: Seitenhiebe auf Künstler und das Showbusiness, vermengt mit zwei tüddeligen Bühnenveteranen und Liedern aus vierzig Jahren europäischem Sängerstreit. Denn daß Deutschland beim Grand Prix nicht am schlechten Geschmack der Jury scheiterte, war Bo Doerek schon bei der Liedauswahl klar. „Bei manchen Stücken habe ich anfangs gedacht: Die klingen ja schrecklich“, sagt Sängerin Alexandra Doerk. Also unterzogen Bo Doerek die Lieder einer musikalischen Schlankheitskur: Statt Streichern und Trompeten begleitet Jakob Vinje die Stücke nur auf dem Klavier.

Das macht zwar die Musik klarer, die Interpreten aber nicht weniger spinnert. Künstler, lehrt Germany, 12 Points, sind allürenbeladene Gernegroße. Bis zum Schluß bleibt schleierhaft, ob Renate und Roger je einen Bühnenvorhang von hinten gesehen haben oder ob sie sich ihren Ruhm nur einbilden.

Als Vorbilder für die größenwahnsinnigen Anstaltsinsassen dienten Künstler, mit denen Borck und Doerk zusammengearbeitet haben – Hubertus Borck in mehreren Musicals, Alexandra Doerk als Sängerin bei verschiedenen Bands. „Nach vorne küssen und nach hinten treten“, beschreibt Doerk die Einstellung vieler Bühnenstars. Da sei es angenehmer, bei Bo Doerek mit Freunden zu arbeiten und zum Proben wochenlang in Spanien zu urlauben.

Glaubt man Borck und Doerk, wollten die beiden schon zusammen singen, seit sie auf dem Jungenklo ihrer Schule die erste Zigarette geteilt haben. Die Ideen für die Stücke hat meistens Borck. Was er sich ausdenkt, spinnen Doerk und Vinje weiter. „Wir lachen zu dritt darüber und hoffen, daß andere das auch lustig finden“, erklärt Alexandra Doerk.

Bei Bis daß der Tod uns scheidet im vergangenen Jahr hat es funktioniert. Vier Monate lang spielten Bo Doerek ihr Debütprogramm im Imperial Theater, im Sommer wollen sie mit beiden Programmen auf Deutschland-Tournee gehen. Und hoffen, daß sich die belächelten Star-Allüren nicht bei ihnen selbst einstellen.

Judith Weber

Premiere: Do, 16. Januar, 20 Uhr, Schmidt, bis 2. Februar

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