Unverbremt von Benno Schirrmeister: Bogedans Länderkunde
Herrlich, bald steht wieder Länderkunde auf dem Lehrplan, ein wunderschönes Fach. Einst kündete es von fernen Gestaden und kuriosen Gebräuchen ihrer unterentwickelten Eingeborenen. Doch das hatten die bösen 1968er verdrängt, und das hier erworbene Wissen schien entwertet. Unter Claudia Bogedan (SPD), als Bildungssenatorin so etwas wie unsere oberste Oberlehrerin, hat es aber, scheint’s, eine Zukunft.
Die derzeitige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz nämlich wartete gestern im Weser-Kurier mit frappierenden Einsichten auf: „Wir leben nicht in Brasilien“, sagte sie dort bezüglich der fehlenden Kitaplätze, „und können nicht einfach Blechhütten aufstellen.“ Ein Versehen? Kaum. Solche Äußerungen werden geprüft und nur zum Abdruck freigegeben, wenn sie zum Amt einer Kita- und Bildungssenatorin passen. Und es ist ja genau, was man einst gelernt hat, in der Länderkunde: Wenn der Brasilianer in die Villa mitgenommen wird, ist ihm das „nicht zuträglich“, heißt’s schon in Maximilian zu Wieds „Reise nach Brasilien“ (1817), weil er dort zu sehr dem Rum frönt. Also muss er draußen bleiben, was aber nicht schlimm ist, weil: Stellt man ihm eine Blechhütte hin, in der er seine Trommel rühren darf, ist alles gut: Dann tanzt er in seiner Hütte, und lacht, denn er ist ein genügsames Wesen, der Brasilianer. Wir in Deutschland haben andere Ansprüche als die da unten, zumal an die Bildung. Und die ist bei Bogedan in fast so guten Händen, wie sie’s bei Günther Oettinger wäre.
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