Untersuchungsausschuss Neukölln: AfD hat Neukölln-Verbot
Der Berliner Untersuchungsausschuss zum rechtsextremen Neukölln-Komplex ist eingesetzt. Die AfD ist nicht drin – und will dagegen klagen.
Der faktische Ausschluss der Partei ist ein parlamentarisches Novum und dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass ein ehemaliges AfD-Mitglied maßgeblich in die Anschlagsserie verwickelt ist. Betroffene sowie Politiker befürchteten im Vorfeld des Ausschusses, dass dies ein Problem für Geheimhaltung sowie einen noch ausstehenden Prozess sein könnte.
Einer der hauptverdächtigen Neonazis, Tilo P., war während der Anschlagsserie Beisitzer im Bezirksvorstand der AfD Neukölln. Selbst die CDU warf der AfD bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vor, in der Angelegenheit befangen zu sein. Danach enthielten sich die Fraktionen von Linke, SPD, Grüne und CDU größtenteils bei der Wahl der AfD-Kandidaten. Weil aber FDP sowie einzelne Abgeordnete der Linken und Grünen gegen die AfD-Kandidaten stimmten, kamen diese knapp nicht auf die notwendige Mehrheit.
Das lag auch daran, dass bei der AfD zwei Abgeordnete aus gesundheitlichen Gründen fehlten, wie es aus der AfD hieß. Die AfD saß nur mit 11 statt 13 Abgeordneten im Plenum, die FDP hat 12 Mitglieder im Abgeordnetenhaus. Daher fielen die beiden AfD-Kandidaten Antonin Brousek und Karsten Woldeit durch. Die kurz danach verschickte Mitteilung der AfD-Fraktionsvorsitzenden Kristin Brinker (AfD) klang stinkwütend: Die FDP hebele mit ihrem Abstimmungsverhalten den Minderheitenschutz aus. Das sei „nicht nur eklatant undemokratisch, sondern auch unglaublich dumm“, so Brinker. Sie kündigte an, gegen die Entscheidung den Rechtsweg zu beschreiten.
Ferat Kocak wird stellvertretendes Mitglied
Eingesetzt wurde der Untersuchungsausschuss mit Stimmen von SPD, Grünen, Linken, CDU und sogar der AfD. Die FDP wiederum enthielt sich. Zum Vorsitzenden wählten die Abgeordneten den SPD-Innenpolitiker Florian Dörstelmann.
Der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak wurde als stellvertretendes Mitglied in den Ausschuss gewählt. Die CDU warf ihm wie der AfD Betroffenheit vor. Koçak ist selbst Opfer der Anschlagsserie: Sein Auto wurde im Februar 2018 angezündet. Neonazis, darunter das ehemalige AfD-Mitglied Tilo P., hatten ihn zuvor ausspioniert. Obwohl die Behörden davon wussten, warnten sie Kocak nicht. Warum, ist eine der offenen 60 Fragen, denen sich der Ausschuss widmet. Die erste Ausschusssitzung ist in den nächsten Wochen vorgesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles