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Untersuchung in HessenPolizei stört sich an ihrem Image

Laut einer Studie des hessischen Innenministeriums sehen sich zwei Drittel der Beamten in der politischen Mitte. Fast die Hälfte klagt über Mobbing.

91 Prozent der Befragten nannten „Offenheit und Toleranz“ die „Grundpfeiler unserer Gesellschaft“ Foto: dpa

Wiesbaden taz | Aus einer aktuellen Befragung von mehr als 4.000 Angehörigen der hessischen Polizei schließt der hessische Innenminister Peter Beuth, CDU, dass „die demokratischen Werte fest in der hessischen Polizei verankert“ seien. Gleichwohl erkannten er und sein Landespolizeipräsident Udo Münch bei einer Pressekonferenz zu dieser Studie „Handlungsbedarf“. Immerhin beklagen 44 Prozent der rund 4.000 Befragten die „Unterstellung von Rassismus/Fremdenfeindlichkeit“ als besondere Belastung ihrer Arbeit.

Die rechtsextremistischen Umtriebe in der hessischen Polizei, die im vergangenen Jahr für negative Schlagzeilen gesorgt hatten, machen den BeamtInnen offenbar in ihrem Alltag zu schaffen. Diese Vorfälle waren auch Anlass für die Befragung, die jetzt „bisher nie dagewesene Einblicke in den Polizeiberuf“ und wichtige Erkenntnisse über Einstellungen und Arbeitsumfeld lieferten, so Beuth.

Chatgruppen von Polizeibeamten, die Naziparolen und rechtsextremistische Inhalte ausgetauscht hatten, rassistische Posts in sozialen Netzwerken bis hin zu Straftaten – wegen solcher Vorfälle waren im vergangenen Jahr 38 Mitarbeiter der hessischen Polizei in den Fokus staatsanwaltschaftlicher und/oder dienstrechtlicher Ermittlungen geraten. Sechs der Betroffenen seien inzwischen entlassen worden, eine Kündigung stehe unmittelbar bevor; in 13 Fällen seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen und in 17 Fällen hätten sich keine strafrechtlichen Verfehlungen ergeben, zog der Minister am Montag eine Zwischenbilanz.

Vor allem für die letzte Gruppe bedürfe es jetzt individueller Programme für die Rehabilitation und Reintegration zurück in den Polizeidienst, sagte Münch. Gleichwohl bleibe es bei der konsequenten Verfolgung von Verfehlungen; Extremisten hätten keinen Platz in der hessischen Polizei, versicherten Innenminister und Polizeipräsident.

Diskriminierung und Mobbing

Die Ergebnisse zur politischen Selbsteinschätzung seien Beleg dafür, dass die hessische Polizei mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung stünden, sagte Minister Beuth. Als „Grundpfeiler unserer Gesellschaft“ erkannten danach immerhin mehr als 91 Prozent der befragten PolizistInnen „Offenheit und Toleranz“. Dass „Einwanderer unser Land bunter und vielfältiger“ machen, sagten 66 Prozent.

Sorgen vor einer Islamisierung Deutschlands äußerten zwar fast 28 Prozent; dass die NS-Verbrechen „vielfach übertrieben dargestellt“ werden, sagen indes lediglich 3 Prozent. Eine Mehrheit von mehr als 64 Prozent der Befragten sehen sich in der politischen Mitte. Rund 20 Prozent verorteten sich als „mäßig rechts“, „rechts“ (1,6%) oder „ausgeprägt rechts“ (0,1%). Zweifel an der Aussagekraft dieser Daten, weil doch die Befragten gewusst hätten, was sozial erwünscht sei, tat der Minister als „Spekulation“ ab.

Während die Verantwortlichen mit dem dokumentierten Meinungsspektrum offenbar zufrieden waren, erkannten sie an anderer Stelle Handlungsbedarf. Dass fast 38 Prozent der Befragten über „Diskriminierung, Ausgrenzung oder Mobbing durch Beschäftigte der Polizei“ klagten, erfordere „Nacharbeitung“, sagte der Landespolizeipräsident. „Stark überzogene Kameradschaft und Abschottung nach außen“ attestierten mehr als 10 Prozent ihren KollegInnen.

Ein „lernendes System“

Überraschend wohl auch, dass neben dem stets beklagten Personalmangel (79 Prozent) und den zunehmenden Übergriffen (52 Prozent) und Beleidigungen (79 Prozent) durch Bürger vor allem das Überbringen von Todesmeldungen (58 Prozent) und tödliche Verkehrsunfälle (44 Prozent) als „besondere Belastung“ wahrgenommen werden. Die hessische Polizei will deshalb die Zahl der Hauptamtlichen im internen psychosozialen Dienst von derzeit 25 auf 50 verdoppeln.

Ihnen stehen zudem 100 nebenberufliche Fachleute zur Verfügung. Auch ergab die Studie, dass Frauen überdurchschnittlich stark Mobbing oder sexuelle Belästigung im Dienst erfahren hatten. Beim unabhängigen „Ansprechpartner“ für die Mitarbeiter der hessischen Polizei, der außerhalb der Hierarchie operiert, soll deshalb künftig zusätzlich eine unabhängige Ansprechpartnerin angesiedelt werden. Die hessische Polizei sei eben ein „lernendes System“, sagte Innenminister Beuth.

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6 Kommentare

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  • Ja wie^¿^ - “Polizei stört sich an ihrem Image“ - Ach was!

    kurz - Einfach mal den seit Adolf weitgehend strukturell übernommenen Laden ausmisten. Ne demokratisch akzeptable Orga - statt Korpsgeist & Abschottung - endlich mal - Verpassen.



    & Vor allem - wa!



    Blindfischen - wie vorweg - Oil of Olaf I. zu HH & G20 - “habe keine Polizeigewalt gesehen“ & eben derartig “hinlangenden Kollegen“ - Öffentlich aufs Maul geben & alles sojet im Regen stehen lassen - wa!



    Das wär’s doch! Nur Mut - das wird dann schonn! Gellewelle&Wollnichwoll.



    Normal Schonn.

    kurz - Dann würdeter auch so durchsichtig Dünnschiß - gleich in die



    Drängtonne verklappen. Newahr.



    Besser is das •

  • Nach meiner Rechnung/ Zählweise sind es bis heute 45(!) Fälle in der hessischen Polizei in denen wegen rechter/ rechtsextremer Umtriebe gegen BeamtInnen ermittelt wurde und/ oder wird. Zuletzt - im August/ September '19 - waren es 6 Auszubildende (KommissaranwärterInnen) und ein Dienstgruppenleiter in der Polizeiabteilung Mühlheim (Hessen) gegen die ermittelt und Kündigungen ausgesprochen wurden. Zu 38 Fällen (Stand: März '19) kamen die o. a. vom August/ September '19 noch hinzu (Stichworte: WhatsApp-Chat mit antisemitischen/ rassistischen Aussagen und “zu braunen Hakenkreuz-Plätzchen vom Oma“).

    www.hessenschau.de...ausschuss-100.html

    www.sueddeutsche.d...assismus-1.4592192

  • Gibt es denn auch linksradikale Polizeibeamte ?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Es gibt Null linke Polizisten?

    Das glaub ich nicht. Da kenne ich welche.

  • Ein Drittel der Beamten _sieht_ sich noch nichtmal selbst in der politischen Mitte? In einem Land, in dem "Mitte" ja sowieso inhärent rechtslastig ist. Und, wenn es um Militär und Polizei geht: In welche Richtung mag das wohl gehen? Welche Ausreisser werden in diesem Drittel wohl sein? Das große Problem sind doch wahrscheinlich die vielen kleineren Fälle, die garnicht verfolgt werden können, selbst wenn man ernsthaft wollte. Außerdem gehört ja eine gewisse rechte Tendenz zur deutschen Gesellschaft scheinbar dazu, wie der Sand zur Wüste. Die gewählten Politiker werden seit ich denken kann nicht müde - mal mehr und mal weniger unterschwellig - alles Linke zu brandmarken. Es vergeht keine Debatte über Rechtsextremismus, bei der niemand irgendwann darauf hinweist, dass die Linken ja auch gefährlich sind. Vielleicht _ist_ der Mensch halt einfach so ein furchtbares Ekel, außer man hat gerade einen Krieg verloren und muss das Land aus Trümmern aufbauen.

  • Genau die selben Zahlen würden bei einer Befragung von AFD Anhängern rauskommen. Erkenntnisgewinn gleich Null!

    "Die Ergebnisse zur politischen Selbsteinschätzung ..... " zum totlachen.