Unterricht: Ethik auf dem Prüfstand
Zu wenig qualifizierte Lehrer, schwammige Inhalte: Die Bilanz nach vier Jahren Ethikunterricht fällt nicht nur positiv aus. Bündnis "Pro Ethik" regt Qualitätsdebatte an.
Mehr Religion im Ethikunterricht: dies fordern nicht die Gegner, sondern die Befürworter des Schulfachs. Vier Jahre nach der Einführung äußert Pro Ethik, ein Bündnis von Lehrern sowie Vertretern aus Politik und Religion, deutliche Kritik. Gerhard Weil, Sprecher von Pro Ethik, sagte am Mittwoch: "Es gibt erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Qualifikation der Lehrkräfte und der Ausgestaltung des Lehrplans."
Seit 2006 steht Ethik für alle Berliner SchülerInnen der Klassen 7 bis 10 auf dem Stundenplan. Daran konnte vor einem Jahr auch das Volksbegehren der Initiative Pro Reli nichts ändern. Ethik blieb Pflichtfach. Religionsunterricht kann, wie schon zuvor, wahlweise besucht werden. "Im Ethikunterricht müssen die Schüler mal keine Aufgaben lösen, sondern kommen miteinander ins Gespräch, über Werte, über Gemeinschaft. Das geht so in keinem anderen Fach", begründet Christiane Wiemann, Leiterin einer Gesamtschule und Sprecherin des Fachverbands Ethik, die Bedeutung des Ethikunterrichts.
Doch die Bilanz fällt nicht nur positiv aus. "An manchen Schulen ist Ethik das fünfte Rad am Wagen", sagt Hauptschullehrerin Monika Münnich, ebenfalls engagiert im Fachverband Ethik. So würden die SchülerInnen zum Teil von LehrerInnen ohne Zusatzausbildung unterrichtet. Rund 500 qualifizierte Ethiklehrer gibt es nach Einschätzung Weils, der Bedarf liege aber mit rund 2.000 Lehrkräften wesentlich höher. "Rein rechtlich kann ja jeder Lehrer Ethik unterrichten, fachlich aber nicht", so Weil.
Auch über die Inhalte müsse diskutiert werden. "Vor allem für Haupt- und Sonderschulen ist der Lehrplan zu philosophielastig", sagt Weil. Die verschiedenen Religionen und Gespräche mit Religionsvertretern hätten dagegen zu wenig Raum. "Nur die evangelische Kirche beteiligt sich an rund 70 Schulen zu ausgesuchten Themen am Ethikunterricht", so Weil. Mit anderen Religionen gebe es dagegen keine festen Vereinbarungen, deren VertreterInnen kämen nur auf Initiative einzelner EthiklehrerInnen in die Schulen.
Nach Gesprächen mit Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will das Bündnis nun an einem nicht öffentlichen runden Tisch mit ExpertInnen und VertreterInnen verschiedener Religionen und Interessengruppen über Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren. Konkrete Anliegen sind die Bewertung der Qualität des Ethikunterrichts, die flächendeckende Qualifizierung von EthiklehrerInnen sowie die konkrete Ausgestaltung des Unterrichtsschwerpunkts Religion. Vorschläge und Kritik sind erwünscht und können über die Homepage eingereicht werden. Die Ergebnisse der Debatte will das Bündnis im November vorstellen.
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