Unternehmer lehnen Haustarif beim Baukonzern Holzmann ab: Vorsicht vor Lohnkürzungen
Verkehrte Welt: Unternehmer protestieren dagegen, dass die Löhne der Beschäftigten gekürzt werden. Der Hauptverband der deutschen Bauindustrie lehnt den Haustarifvertrag ab, obwohl der Betriebsrat des Frankfurter Baukonzerns Holzmann ebenso wie die Gewerkschaft Bau unbezahlter Mehrarbeit des Personals zugestimmt hatten. Um den kranken Konzern am Leben zu erhalten, arbeitet jeder Holzmann-Beschäftigte seit dem 1. Februar fünf Stunden pro Woche umsonst. Das bringt den Hauptverband auf die Palme: Die in der Lobbyorganisation zusammengeschlossenen Betriebe fürchten, dass ihnen die billigen Holzmänner die Aufträge der Zukunft wegschnappen.
Der schon totgesagte deutsche Korporatismus lebt also doch noch. Selbst große Unternehmerverbände halten an gesellschaftlichen Regelungen wie dem Flächentarifvertrag fest, die Leben und Arbeit von Millionen Menschen bestimmen. Einzelne Betriebe sollen keine Extrawurst bekommen. Und das ist gut so. Denn der Tarifvertrag etabliert eine gewisse Sicherheit im wirtschaftlichen Kollektiv, wo sonst das Individuum dem Markt und seinen harten Wettbewerbsbedingungen schutzlos ausgeliefert wäre.
Weniger schön dagegen ist, dass die Unternehmerlobby nun Morgenluft wittert und mit der Rettung der bedrohten Jobs die Gewerkschaft zu erpressen versucht. Motto: Wir stimmen der Lohnkürzung bei Holzmann nur zu, wenn auch alle anderen Betriebe die Löhne kürzen dürfen. Tarifvertrag? Ja, gerne, aber nur mit der Freiheit für die Vorstände, Löhne nach Belieben drücken zu können.
Der Bauverband sollte sich darüber klar werden, dass er den Tarifvertrag nicht zu sehr strapazieren darf. Eine Regelung wie bei Holzmann lässt sich nicht verallgemeinern, denn die herben Einschnitte für die Beschäftigten wurden aus der Not geboren. Dürfte jeder Betrieb qua Tarif dem Holzmann-Beispiel folgen, würde das vermutlich sehr schnell Schule machen – und damit genau die Wirkung entfalten, die der Bauverband durch sein Votum gegen den Frankfurter Haustarif verhindern wollte. Der Konkurrenzdruck durch Billiganbieter würde rapide erhöht, was viele Firmen an den Rand des Abgrunds bringen dürfte. Zur Stabilisierung der Institution „Tarifvertrag“ und im Interesse seiner Mitgliedsfirmen sollte der Bauverband deshalb ein wenig bescheidener sein und jetzt nicht versuchen, die Zitrone bis zum letzten Tropfen auszuquetschen.
Hannes Koch
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