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Unternehmen und soziale BewegungenAls Firma die Welt verbessern

Wenn sich Unternehmen zusammenschließen, muss nicht immer ein neoliberaler Klub herauskommen. Es kann auch eine soziale Bewegung sein.

„Wirtschaften muss auch geil sein“: Einhorn-Geschäftsführer Philip Siefer und Waldemar Zeiler (l.) Foto: dpa

Berlin taz | Bei der Firma Einhorn hat man lange über die Idee diskutiert, ein B-corp-Unternehmen zu werden. Das ist ein weltweites Netzwerk von Firmen, die in ihrer Satzung verankert haben, „mit ihrer Geschäftstätigkeit eine erheblich positive Wirkung auf das Gemeinwohl sowie die Umwelt“ erzielen zu wollen.

„Wir wussten nicht, ob die B-corp-Kriterien wirklich auf uns passen“, sagt Mitgründer Waldemar Zeiler auf einem Treffen von B-corp-Unternehmen in Berlin. „Die sind schon sehr an die amerikanische Kultur angelehnt.“ Aber das Team des Herstellers veganer Kondome habe entschieden: „Wir wollten unsere Vision, etwas zu ändern, mit möglichst vielen teilen.“

Während immer mehr Unternehmen nachhaltig wirtschaften wollen, tut sich die Bundespolitik in Berlin schwer, wenigstens die EU-Richtlinie zur Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR) in deutsches Recht zu übertragen. Sie soll Unternehmen verpflichten, regelmäßig und anhand vergleichbarer Standards auch darüber zu berichten, wie sie sich in Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen verhalten, ob sie die Menschenrechte achtet und wie sie Korruption bekämpfen.

Dieses CSR-Umsetzungsgesetz sollte nach Brüsseler Vorgaben spätestens am 6. Dezember in Kraft getreten sein, aber der Entwurf hängt noch in den parlamentarischen Beratungen.

Die Gesetzgebung hinkt weit hinterher

Auch mit seiner Ausgestaltung sind nicht nur Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen wenig glücklich: Das Gesetz wird nur wenige Konzerne betreffen und die Berichterstattung kaum ausreichen, um Verstöße gegen Umwelt- und anderes Recht zu erkennen oder zu verhindern. „Der Anwendungsbereich ist zu eng, und die Anforderungen, wie berichtet werden muss, sind auch zu unkonkret“, sagt Gerd Scholl, der am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin den Bereich Unternehmensführung und Konsum leitet.

In vielen Unternehmen hat man ohnehin nicht auf das Gesetz gewartet. Schließlich gibt es längst freiwillige Standards, die messen, wie Firmen mit Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern umgehen oder soziale und ökologische Auswirkungen berücksichtigen.

Dazu gehört beispielsweise das Eco-Management and Audit Scheme, kurz EMAS oder auch Öko-Audit, das Unternehmen und Organisationen dabei unterstützen soll, ihre Umweltleistung zu verbessern. Oder die Global Reporting Initiative (GRI): Firmen, Umwelt- Arbeits- und Menschensrechts- sowie staatliche Organisationen haben gemeinsam 120 Kriterien entwickelt, wie sie die Berichterstattung über die sogenannten nichtfinanziellen Belange transparent und vergleichbar machen können.

Transparent, demokratisch und im Austausch

EMAS-zertifiziert sind in Deutschland derzeit rund 1.200 kleine und große Unternehmen, nach GRI-Standard berichten weltweit etwa 5.000 Firmen, darunter auch 19 DAX-Unternehmen. Allerdings gelten beide als „top down“-Ansätze, die vom Management beschlossen und dann im Betrieb durchgesetzt werden.

Viele Unternehmen suchen – oft zusätzlich – einen demokratischeren Zugang, manche auch zugleich eine Plattform, um sich mit anderen auszutauschen. „Sich komplett nachhaltig zu verhalten ist ja schon im eigenen Leben nicht leicht“, sagt Einhorn-Gründer Zeiler. Es müsse aber nicht jeder das Rad neu erfinden. „Schon viele Leute haben sich Gedanken gemacht, wie man ein Büro nachhaltig gestaltet, Voluntering oder Diversität im eigenen Unternehmen fördert.“

Das Netzwerken kann auch ganz konkreten geschäftlichen Interessen nutzen. „Viele der Unternehmen sind absolut potenzielle Kunden für uns“, sagt Florian Koss, Sprecher der Triodos Bank, die ethisch-soziale Projekte finanziert und ebenfalls bei B corp organisiert ist.

Aus den USA: B corp

Der Dachverband von B corp, B lab, sitzt in den USA; in Deutschland ist das Netzwerk noch im Aufbau. Die Indikatoren zielen eher auf etablierte Unternehmen und konventionelle Wege ab, Gutes zu tun – etwa Spenden an gemeinnützige Organisationen. Womit Einhorn gern punkten würde, wird im Audit gar nicht abgefragt: Um ökologisch einwandfreien und fairen Kautschuk verarbeiten zu können, arbeiten sie auf Plantagen in Malaysia an entsprechenden Standards. „Aber das kann sich noch entwickeln und an europäische Ideen anpassen“, sagt Nathan Gilbert von B corp Europe.

Aus dem deutschsprachigen Raum: Gemeinwohlökonomie

Noch mehr Anhänger hat im deutschsprachigen Raum die Gemeinwohlökonomie (GWÖ). „Spannend ist, dass es sich um soziale Bewegungen handelt, in der Unternehmen die Hauptakteure sind“, sagt Bernd Sommer, der den Bereich Klima, Kultur und Nachhaltigkeit an der Europa-Universität Flensburg leitet. Anders als etwa die neoliberal geprägte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft definierten GWÖ und B corp „zum Teil neu, was man als Soziologe oder Ökonom über Marktwirtschaft zu wissen glaubte“, so Sommer. „Einige der beteiligten Unternehmen sind erstaunlich profitabel.“

Die GWÖ wurde aus dem Umfeld von Attac Österreich gegründet und versteht sich explizit als „Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft“. Dezentrale Selbstorganisation spielt eine große Rolle. B corp wird stärker als Bewegung „von Unternehmen für Unternehmen“ wahrgenommen und gilt als pragmatischer. „Die GWÖ und wir kämpfen für die gleiche Sache, aber unsere Zielgruppen und Angebote unterscheiden sich“, sagt Gilbert von B corp Europe.

In den Netzwerken finden sich nicht nur Start-ups wie Einhorn, Bonsum, das nachhaltigen Einkauf unterstützen will, der Kindersnackhersteller erdbär, der Solarlampenproduzent Little Sun, Fairphone oder der „Verantwortungskräftevermittler“ OnPurpose wieder. Auch größere Unternehmen wie die niederländische Triodos Bank, die ethisch-soziales Banking betreibt, machen bei B corp mit. Zur GWÖ bekennen sich neben kleineren Firmen wie dem Onlinemarktplatz fairmondo, der Bäckerei Märkisches Landbrot und sogar Zahnärzten wie dem Berliner Matthias Eigenbrodt auch Mittelständler wie taz.die tageszeitung und größere Unternehmen wie der Outdoor-Ausrüster Vaude.

30 deutsche Firmen haben ein B-corp-Zertifikat, 200 eine Gemeinwohlbilanz

Insgesamt sind in Deutschland derzeit etwa 30 Unternehmen nach B corp zertifiziert, weltweit sind es mehr als 1.600 Betriebe. 200 Firmen im deutschsprachigen Raum haben eine Gemeinwohlbilanz aufgestellt. Das Interesse ist noch deutlich höher, wie sich an den Zugriffen etwa auf das digitale Assessment für B corp ablesen lässt. Weltweit haben sich rund 40.000 Firmen und Organisationen damit beschäftigt.

Die Nische expandiert

„Bewegungen wie Gemeinwohl oder auch B corp scheinen zu expandieren“, sagt IÖW-Experte Scholl. „Aber es ist eine Nische, nichts, was in der Breite Akzeptanz finden wird.“ Den teilnehmenden Unternehmen ist das gar nicht unrecht. „Wir haben auch schon Anfragen von Danone und Unilever gehabt“, sagt Gilbert. „Aber die sind dann zurückgeschreckt, als sie die Verpflichtung in die Satzung aufnehmen sollten.“

Interessierte Unternehmen durchlaufen bei B corp zunächst ein digitales Assessment und können sich anschließend von der Dachorganisation B Lab zertifizieren lassen. Bei der GWÖ stellen sie eine Gemeinwohlbilanz auf, die extern auditiert wird. Ziel ist es, den eigenen Stand besser einzuschätzen und zu sehen, wo Verbesserungsbedarf besteht.

Alexander Neumann, Gründer des Kindersnack-Anbieters erdbär, sagt, dass er vorher „gar nicht alle Kriterien auf dem Schirm hatte“. Erst beim ersten Assessment sei aufgefallen, dass man den Wasserverbrauch „komplett übersehen“ hatte.

Der GWÖ-zertifizierte Berliner Zahnarzt berichtet, dass er nicht nur Röntgen-Chemikalien durch den Einatz digitaler Techniken ersetzt und den Stromverbrauch in der Praxis reduziert habe, sondern seinen Mitarbeiter auch Dienstfahrräder anbiete. Der Outdoorbekleidungshersteller Vaude bemerkte beim Erstellen der Gemeinwohlbilanz, dass seine Rabatte kleine lokale Händler benachteiligte, und änderte seine Angebotsstruktur.

Mehr Unterstützung von der Politik gewünscht

Die Firmen werben kaum mit ihren Bemühungen, ihre Nachhaltigkeit zu erhöhen. Denn für die Verbraucher sei die Zertifizierung von ganzen Unternehmen „gar nicht so ein großes Thema“, beobachtet IÖW-Experte Scholl. „Das ist anders als bei konkreten Produkten, wo Siegel eine zunehmende Rolle spielen.“

Die Unternehmen wünschen sich mehr Unterstützung von der Politik. Ansätze gibt es: In ihrem grün-schwarzen Koalitionsvertrag verspricht die Landesregierung Baden Württemberg ein Pilotprojekt, in dem ein Betrieb mit Landesbeteiligung eine Gemeinwohlbilanz erstellen soll.

Einen richtigen Kick würden sich die Initiativen aber erwarten, wenn zertifizierte Unternehmen Steuererleichterungen bekämen – nicht um einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten, sondern um einen Nachteil auszugleichen: Das Steuersystem belohnt Wachstum – genau diesem Zwang wollen sich nachhaltig wirtschaftende Unternehmen oft nicht unterwerfen. Die größte Hilfe wäre jedoch, wenn die öffentliche Hand die Möglichkeit hätte, zertifizierte Unternehmen bei Aufträgen zu bevorzugen.

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