: Unternehmen aus der Retorte
Das Bundesliga-Spitzenteam Frankfurt Skyliners spielt in der neuen Nordeuropäischen Basketballliga mit, in der alles umsonst ist, auch die Probleme ■ Aus Frankfurt Bernd Seib
„Ach wissen Sie, die Medien können gar nicht genug kriegen. Sogar USA Today hat diese Woche angefragt.“ Manchmal ist selbst Klaus Beydemüller, Pressesprecher der Frankfurt Skyliners, erstaunt, welches Interesse der jüngsten Basketballretorte entgegenschlägt. Doch kein Wunder: In der Bundesliga hat man sich längst als Verfolger von Alba Berlin etabliert und das Pokal-Viertelfinale erreicht. Im Saporta-Cup ist man fast genauso weit. Doch Hochzeit Nr. 4, der Start in die neu gegründete Northern European Basketball League, kurz NEBL, war nicht eben ein Ruhmesblatt.
Sang- und klanglos unterlagen die Skyliners am Samstag in eigener Halle gegen Alita Alytus mit 63:83. Alita Alytus? Klingt zwar nach Entenhausen, doch es handelt sich um ein litauisches Basketballteam. Vierzehn Teams aus neun Ländern spielen in der NEBL. Neben Teilnehmern aus dem Baltikum und Skandinavien haben auch Topfavorit ZSKA Moskau, Kyiv Kiew und eben die Skyliners gemeldet. Gespielt wird nach dem Regelwerk der NBA; im Unterschied zur Bundesliga ist die Angriffszeit auf 24 Sekunden limitiert und die Spielzeit geviertelt. Besonderes Interesse gilt den Auftritten des schwedischen Clubs „Magic M 7 Boras“. Anders als beim Hamburger SV will dort der Sponsor nicht nur die Vereinsspitze nach eigenem Gusto besetzen, er will sogar leibhaftig mitspielen. Geldgeber Earvin „Magic“ Johnson, inzwischen 40-jährige NBA-Legende, geht seinem Hobby bisweilen noch unter den Körben nach.
NEBL-Präsident Sarunas Marciulonis, ehemaliger litauischer NBA-Profi, ist mächtig stolz auf seine Liga. Lukrative Fernsehverträge hat er in Nordeuropa ausgehandelt – nur hier zu Lande wurde kein zahlungswilliger TV-Mogul gefunden, doch „dieses finnische TM 3 müsste man eigentlich mit einer Schüssel empfangen“, empfiehlt Beydemüller dem interessierten Fan den Gang aufs Dach.
Die Übertragungsrechte bringen immerhin so viel, dass Marciulonis den Teams die Reisekosten erstattet. Das schafft natürlich Freunde. Alita-Coach Vitoldas Masalskis ist einer: „Es ist doch reine Geldverschwendung, zum Basketballspielen ins tiefste Russland zu reisen. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich für die NEBL und gegen Saporta- oder Korac-Cup entscheiden.“
Frankfurts Manager Gunnar Wöbke gefallen die zwanglosen Spesenabrechnungen auch sehr gut. Bis zu 20.000 Mark kostet seinen Klub ein Saporta-Cup-Spiel. „Das hier ist für uns natürlich viel angenehmer“, sagt er. Sportliche Ziele verfolgen die Skyliners in der NEBL ohnehin nur mittelbar. Die erst im Sommer zusammengestellte Mannschaft soll weitere Spielpraxis sammeln. Aber eigentlich interessiert man sich in der NEBL weniger für die eigenen, als vielmehr für andere Spieler. Denn ab der nächsten Saison fallen die Beschränkungen für Nicht-EU-Europäer. Basketballer aus Litauen oder Russland können dann in beliebiger Anzahl aufs Feld geschickt werden. „Dafür können wir schon jetzt Kontakte knüpfen“, erklärt Skyliners-Trainer Stefan Koch. Aber so ganz gelegen kommt ihm der zusätzliche Wettbewerb nicht. „Ich fürchte, sportlich wird uns die NEBL in diesem Jahr wohl eher etwas kosten.“
Die Bundesliga hat oberste Priorität. Bei acht Pflichtspielen seiner Mannschaft im Januar sorgt er sich um deren physische Verfassung. „Das Training besteht zur Zeit nur aus Spielvorbereitung, Spielnachbereitung und Regeneration“, bedauert der Übungsleiter und fürchtet vor dem anstehenden Spiel bei Alba Berlin Kräftedefizite. Daher setzten die Skyliners gegen Alytus aufs Rotationsprinzip. Bis auf Playmaker Pascal Roller, der nach dem Ausfall von Kai Nürnberger mangels Alternativen weitgehend durchspielte, wurde munter gewechselt. „Ich werde meine Spieler doch nicht ausbluten lassen“, hatte Koch im Vorfeld angekündigt und den Kader mit Spielern aus den Farmteams aufgestockt. Dass die vielen Auswechslungen den Rhythmus zerstört hätten, sei blanker Unsinn, grollte Koch. „Wir hatten doch überhaupt keinen Rhythmus, den wir verlieren hätten können“, sagte er.
Was sein Team den knapp 1.000 Zuschauern bot, war genauso dürftig wie die Kulisse. „Wir wollten rausgehen und Spaß haben“, meinte Roller, „aber heute war das kein Spaß.“ Wie schon bei den Niederlagen in Weißenfels und Hagen hätten die Skyliners „versucht, mit 70 Prozent zu gewinnen. Das ist enttäuschend“, stellte Koch resigniert fest. Doch ein Schlenker ins Private versöhnte ihn. Wo er schon überall gearbeitet hätte, wollte eine litauische Reporterin wissen. Unter anderem in Odessa, beschied Koch. Also habe er sich gefreut, einen ukrainischen Referee wiederzutreffen. „Er hat mir erzählt, was meine damaligen Spieler inzwischen machen. Einer hat in einer Lotterie eine Green Card gewonnen und spielt jetzt in den USA.“ Da konnte Koch sogar wieder lachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen