: Unterm Strich
Es kommt, wie unsere werte Leserschaft durch ein mittlerweile geflügeltes Kanzlerwort weiß, immer darauf an, was hinten rauskommt: In den letzten Tagen nun sind über den bekannten Herrn Schriftsteller Jünger, Ernst Dinge herausgekommen, die gemeldet werden müssen, weil sie doch recht aufschlußreich sind. Wir verdanken die Enthüllungen dem Herrn investigativen Journalisten Horst Tomayer und der Zeitschrift Konkret (vgl. Heft 9/1993): Jünger beschert uns in diesem Bücherherbst „Siebzig verweht III. Eine Auswahl aus den Tagebüchern 1981 bis 1985“.
Im zehnten Vorabdruck dieser Notizen, mit dem sich die Kollegen der FAZ glaubten schmücken zu können, fand Herr Tomayer folgende Passage: „Anruf von Luis Trenker („Berge in Flammen“), der etwas mit mir ,zusammen machen‘ will. ,Goebbels wollte Ihnen goldene Brücken bauen, aber die waren aus Sand.‘ Sein neunzigster Geburtstag sei ein Volksfest gewesen, wenn er von einem bösartigen Gartenzwerg absehe, der sich in die Festwiese eingeschlichen und ihn in seinem Bericht ,eine Mumie‘ genannt habe. Doch die Tiroler sind lustig: Wissen S' – bei solchen Jubiläen muß man damit rechnen, daß die Sauställ mitfeiern.“
Das wäre nun schon spaßig genug, wenn's der wahre Luis T. gewesen wäre, den der unzweifelhaft echte Ernst J. hier als einen seiner Bewunderer der geneigten Leserschaft nicht zu verschweigen vermochte. Allein, nicht überall, wo Luis Trenker draufsteht, ist auch die erwartete original senil-sentimentale Weißwurschtigkeit drin: der Anrufer hatte mit dem weiland Gipfelstürmer nichts gemein außer dem alpinen Akzent. Er war vielmehr eine genial simulierte, voll virtuelle Luis-Trenker-Benutzeroberfläche (s.o. auf dieser Seite) aus den Tomayer-Laboratories. Daß nun aber dieser virtuelle Luis T. (lies „Tomayer“) in die Literaturgeschichte eingeht und damit der Jünger Ernst sich vom Begründer der deutschen Schrapnell-Literatur („In Stahlgewittern“) am Ende seiner literarischen Laufbahn – wenn auch unfreiwillig – zum Begründer des deutschen Cyberpunk wandelt, das ist schon von geradezu überirdischer Komik. Den Betreuern der Jünger-Gesamtausgabe und allen Jünger- Freunden sowie -Feinden sei hiermit dringendst die Anschaffung des aktuellen Konkret-Hefts angeraten, das die Blamasch ausführlichst ans Licht des Tages bringt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen