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Unterm Strich

Endlich Tacheles: Am heutigen Tage, ein weiteres Modell der Serie gräulicher Montag, findet im Münchener Marstall eine Konferenz zum Thema Wert des Gewissens statt. Als „Problemübersicht“ wurden gereicht: „Verbalisieren der beiden Begriffe Wert und Gewissen“ (cirka 10 Minuten), eventuell „Die Entstehung (die Wurzeln) des Wortes ,Gewissen‘ aus der Sprachgeschichte“ (keine Zeitangabe), aber dicht gefolgt von „Stellungnahmen gegenwärtiger Denker zum Thema“, und zwar hauptsächlich zur Frage der Moral und Verantwortung dort, wo sich die Phänomene „Mensch“ und „Wirtschaft“ berühren. Auch höher hinaus geht es, nämlich in den Bereich der „Verantwortung (des Gewissens) für das Schicksal anonymer Menschenmassen. Beispiel: neue Bundesländer“. Die Konferenz bildet den Abschluß einer Programmreihe mit dem überaus frohen Titel „Tempo Tag Theater“ (bitte hier keine Kommata einfügen), präsentiert und organisiert vom Herrn Michelangelo Pistoletto. Antreten zur Konferenz werden Dr. Hannes Androsch, Wiener Finanzminister a.D.; Leszek Balcerowicz, Berater der Weltbank und sogar der Kunsthistoriker Boris Groys. München, du hast es besser.

Buchenwald, bis dato immer eine Gedenkstätte sozialistischer Heldenmythologie, die sich vor allem durch die fast komplette Ignoranz der Judenvernichtung gegenüber auszeichnete, soll umgestaltet werden, aber diese Umgestaltung geht nicht ohne Krisen über die Bühne – kaum verwunderlich, das. Der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte, der hessische Historiker Thomas Hoffmann, ist zwischen die Fronten von Opferverbänden, eigenen Mitarbeitern und zuständigem Wissenschaftsministerium geraten und hat, wie dpa meldet, um seine Beurlaubung gebeten. Hoffmann kritisiert, die Aufarbeitung der Geschichte gehe zu schleppend voran; außerdem spricht er von „restaurativen Tendenzen“ bei der Darstellung des Konzentrationslagers in der Gedenkstätte. Gleichzeitig sind neue SED-Akten aufgetaucht, in denen die Rolle einzelner kommunistischer Häftlinge beleuchtet wird, die zum Teil mit der SS zusammengearbeitet haben sollen. Daß sie in Buchenwalds Lagerhierarchie an der Spitze standen, ist ja seit den 50er Jahren bekannt; das Ausmaß der Kollaboration allerdings nicht. Von dieser Lagerhierarchie war in der Gedenkstätte zu DDR-Zeiten natürlich auch nie die Rede gewesen; ganz zu schweigen von der Geschichte der Übernahme des Lagers durch die Sowjetarmee. Die taz wird im Laufe der Woche ausführlich berichten.

Der Windsbacher Knabenchor sucht Nachwuchs. Zur Zeit sind es 140, aber manchmal bleiben 25 bis 30 Einsteigerplätze unbesetzt. Die Jungs finden es einfach nicht mehr hip, mehrstimmig „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ zu singen, sondern spielen das Lied liebsten gern allein daheim auf der Privatschrummel.

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