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Unterm Strich

Eine seltsam verzögerte Indizierung: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat jetzt, dreieinhalb Jahre nach dem Erscheinen des Romans, „American Psycho“ von Bret Easton Ellis auf den Index der jugendgefährdenden Schriften gesetzt. In dem Roman werden mit irritierender Kühle seitenlang und en détail die sexuellen Gewaltverbrechen eines New Yorker Yuppies geschildert. Bei seinem Erscheinen hat das Buch auch hierzulande eine literaturkritische Kontroverse über die Legitimität extremer Gewaltdarstellung in der Literatur ausgelöst. Was seinen Gegnern als spekulatives Machwerk erschien, galt den Befürwortern als Schocker mit moralisch-zeitkritischem Hintersinn. Andere wiederum äußerten Zweifel daran, daß die Qualität von Ellis' Werk die Auseinandersetzung lohne. Die Indizierung hat nun zur Folge, daß für das Buch nicht mehr geworben werden darf, daß es nicht mehr in Buchhandlungen ausgelegt werden darf und aus den Verlagsprospekten verschwinden muß. Der Verkauf des Buches an Minderjährige steht unter Strafe. Was die Entscheidung rätselhaft macht, ist die Dauer des Verfahrens – unterdessen war bereits eine Taschenbuchausgabe erschienen, die sich, wie bereits die gebundene Ausgabe, gut verkauft hat. Zwei von der Bundesprüfstelle in Auftrag gegebene Gutachten der Professoren Mainusch und Knoll kamen zu dem Ergebnis, eine Indizierung sei nicht erforderlich. Dagegen argumentierte die Zensurbehörde, es bestehe die Gefahr einer „isolierten Stellenlektüre“ durch Jugendliche. (Man darf sich fragen, bei welchem Buch diese Gefahr nicht besteht.) Mit diesem Argument ließen sich, wie aus dem betroffenen Verlag Kiepenheuer & Witsch verlautet, „ganze Bibliotheken von Werken der Weltliteratur indizieren“. Der Verlag weist außerdem darauf hin, daß „American Psycho“ in zahlreiche Sprachen übersetzt worden und weder in Europa noch in den USA jemals Gegenstand eines Indizierungsverfahrens geworden sei. Im letzten Jahr sind die Filmrechte an einer Drehbuchfassung des Buchs an den Produzenten Edward Pressman („Conan, der Barbar“) verkauft worden. Der Verlag kündigte an, alle nötigen rechtlichen Schritte einzuleiten, um die Entscheidung anzufechten. Im Herbst wird bei Kiepenheuer & Witsch der neue Roman von Bret Easton Ellis erscheinen: „Die Informanten“.

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