: Unterm Strich
Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises sollen künftig andere Saiten aufgezogen werden. Unter der völlig einleuchtenden Überlegung, daß es keinen Sinn hat, Preisverleihungen sozusagen leise, leise im Kreis der üblichen Verdächtigen durchzuführen, weil man sich so halberlei für den sogenannten deutschen Film schämt, haben sich nun allerhand Damen und Herren zusammengefunden, die Sache diesmal mit einem Tusch zu versehen. Es mag einem schmecken oder nicht schmecken, aber die Galaveranstaltung am 9. Juli wird heißen „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“. Die zuständige Kommission beim Bundesinnenministerium, welches den Preis ja nun schließlich verleiht, hat die Produzentin Regina Ziegler beauftragt, das ganze unter ihre Fittiche zu nehmen. Diese wiederum hat mit der Regie der Veranstaltung Alexander Arnz beauftragt, der Erfahrungen mit „Wetten, daß ...?“ hat und nach eigenem Bekunden gern alles zeigen möchte, was passiert, ein rechter Life-Fetischist also. Das Drehbuch, jawohl, ein Drehbuch, wird niemand anderes schreiben als Helmut Karasek, welcher Frau Ziegler durch sein Billy-Wilder- Buch aufgefallen war. Das war uns auch aufgefallen. Freimütig gestand Karasek, sich an der Oscar-Verleihung orientiert zu haben, und warum auch nicht, schließlich hat diese dem amerikanischen Film in der Stunde der Not einen ziemlichen Pusch verschafft. Man wolle doch Freud und Leid erleben, die Nominierten werden also nun auch bei uns im Auditorium sitzen und nicht wissen, wem die Stunde schlägt. Wer Jodie Foster bei der letzten Oscar-Zeremonie gesehen habe, wisse, was man da alles erhaschen könne an Anblick und so weiter. Die Tatsache, daß Karasak mit einem Gipsarm auf der Pressekonferenz auftrat, hat Sie überhaupt nicht zu interessieren, und ein Schlingel sind Sie, wenn Sie Blödes dabei denken.
Stattfinden wird die Chose, statt wie bisher im kleinen Berliner Renaissancetheater, im großen und schön ostigen Friedrichstadtpalast, wo einst die DDR-Chorus-Line wippte und püschelte. Es gehen dort über tausend Leute hinein. Man rechnet mit 3.400.000 DM Kosten, die aus Bundesmitteln, Geldern vom Berlin-Brandenburgischen Filmboard, Senatsknete und höflichen Beigaben der Firma „Transit“ berappt werden sollen, und dann gibt es auch noch Sponsoren für Getränke und Deserts. Während
der Veranstaltung soll Archivmaterial mit einigen Raritäten aus der deutschen Filmgeschichte gezeigt werden, pro Film ein Bild; netterweise hat Leo Kirch sich als Lizenzgeber ebenso kulant gezeigt wie die Murnau- Stiftung.
Der Hammer dabei: Nominiert war neben Der bewegte Mann von Sönke Wortmann, Burning Life von Stefan Kolditz, Hasenjagd von Andreas Gruber, dem Dokumentarfilm Ich bin nicht Gott, aber wie Gott, schließlich Keiner liebt mich von Doris Dörrie, Maries Lied von Niko Brücher und Die Sieger von Dominik Graf auch der Berliner Film Verhängnis von Fred Kemelen. Letzterer wurde auf der Pressekonferenz überraschend zurückgezogen, denn – er ist zu kurz! Er hat nur 77 Minuten und müßte aber, um das Reglement einzuhalten, 79 haben! Für Reinhard Hauff hingegen, den Direktor der Berliner Filmakademie, ist die Sache damit noch nicht erledigt: „Man muß abwarten“.
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