: Unterm Strich
Die frischgepreßte O-Saft am Morgen, das ist ja eine leichte Übung. Aber die frischgepreßten News unter dem Strich, das ist heute eine ganz andere Angelegenheit. Dem Ticker förmlich abgepreßt. Nachricht Nummer eins: Der ehemalige Hamburger Theaterintendant und Ex-Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele, Ivan Nagel, sieht den Rang Berlins als Kulturmetropole Europas in manchen Bereichen gefährdet. Zum Ende des Jahres meinte Nagel im „DeutschlandRadio Berlin“, daß sich die Politik zwar nicht in die Kultur einmischen solle, daß aber – hört, hört – bei den beträchtlichen Kulturausgaben in Berlin eine Bilanz notwendig sei. Dabei sollten „überflüssige Verdopplungen und Verdreifachungen“ wie in der Berliner Opernszene unbedingt berücksichtigt werden. „Ich habe vor acht Jahren deutlich gesagt, daß die drei Opernhäuser ihre Existenz nur dann rechtfertigen können, wenn sie sich deutlich kreativ gegeneinander profilieren. Das ist nicht geschehen.“
Die Berliner Theaterkultur hält Nagel dagegen für fruchtbar: „Es sind neu ausgedachte Theater mit einer neuen Beziehung zu ihrem Publikum entstanden.“ Bedauerlich sei jedoch, daß die gesellschaftlichen Spannungen durch die Wiedervereinigung noch nicht künstlerisch umgesetzt worden seien.
Zur Situation der Kultur in den neuen Ländern sagte er: „Es wäre eine Katastrophe, wenn es in Deutschland nur eine kulturelle Metropole gäbe.“ Die neuen Länder seien durch Orchesterschließungen und Zwangsvereinigungen von Theatern sehr stark betroffen.
Da kommt doch Nachricht Nummer zwei gerade recht: Die Leipziger Oper wird 1999 erstmals in ihrer Geschichte auch in den Theaterferien spielen. Eine lange Umbauphase zwingt dazu, aus der Not eine Tugend zu machen. Wegen der Modernisierung der veralteten Bühnentechnik muß schon vor dem offiziellen Ende der Spielzeit in alternative Spielstätten ausgewichen werden. In Zukunft soll der Sommerspielplan zum festen regelmäßigen Angebot der Oper gehören. Das ordne sich in das Vorhaben ein, das inzwischen zu den „avanciertesten Musiktheatern in Europa“ zählende Haus zu einem „Bürger-Theater“ zu machen.
Nicht mehr spielen wird die beliebte norddeutsche Volksschauspielerin Heidi Kabel. Sie beendete an Silvester ihre Bühnenlaufbahn. Das Publikum würdigte mit langem Applaus Heidi Kabel, die ein letztes Mal im Lustspiel „Mein ehrlicher Tag“ in der Doppelrolle der Zwillingsschwestern Trude und Marie Engel begeisterte. „Über sechs Jahrzehnte hast du uns Freude geschenkt“, bedankte sich Konzertmanager Hans- Werner Funke anschließend mit einem riesigen Strauß roter Rosen und versprach dem früheren Star des Ohnsorg-Theaters im Sinne der Zuschauer: „Auch wenn du nicht mehr auf der Bühne bist, du bleibst im Herzen immer unsere Heidi.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen