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Untergang in Trümmern

Das Kunsthaus Tacheles ist ruiniert: Auch der potentielle Investor zieht sich nun zurück  ■ Aus Berlin Uwe Rada

Es gab Zeiten, da galt das Tacheles, die skelettierte Bauruine zwischen Oranienburger und Friedrichstraße, in der Kunstszene als Synonym für die Nachwende-Off-Kultur im Berliner Bezirk Mitte. Mit der Besetzung der zu DDR-Zeiten zur Sprengung vorgesehenen Gebäudereste im Februar 1990 war aus der Spandauer Vorstadt, dem verschlafenen Altstadtrest nördlich der Ostberliner City, über Nacht der Nimbus eines aufregenden Szeneplatzes verliehen worden. Das Publikum kam (und mit ihm das Geld), die öffentliche Kulturförderung und ABM-Stellen. Immerhin, so lobte das Stadtmagazin tip, auch zwei Jahre später noch, sei die Tacheles-Ruine kein Problem, das man weginszenieren müsse, sondern ein Geschenk, mit dem man spielen sollte.

Heute will mit dem Tacheles keiner mehr spielen. Vor allem nicht die Kölner Fundus-Gruppe. Lange Zeit bemühte sich deren Boß Anno August Jagdfeld – in Berlin bereits mit dem Hotel Adlon, dem Quartier 206 der Friedrichstadtpassagen und einer leerstehenden Büropyramide in Marzahn vertreten – um die Integration des Tacheles in das Fundus- Projekt „Johannisviertel“.

Doch die „aufregende Kooperation zwischen Off-Kultur und Hochfinanz“, wie es ein ehemaliger Tacheles-Funktionär einmal formulierte, stand von Anbeginn auf tönernen Füßen. Spätestens seitdem die Baupläne für das „Johannisviertel“ im vorigen Jahr öffentlich vorgestellt wurden, gab es Verhandlungen zwischen dem Investor und den Künstlern nur noch auf dem Papier. Kern des Konflikts war die hinter der Kunstruine gelegene Freifläche. Hatte Fundus- Chef Jagdfeld dort vor allem hochwertige Gastronomie und innovative Dienstleister ansiedeln wollen, wäre den Betreibern des Kunsthauses die Fläche am liebsten als Abenteuerspielplatz nebst Bierausschank gewesen.

Mitten in diese Pattsituation war vor einem halben Jahr ein Schreiben des Berliner Kultursenators geplatzt, in dem dieser keinerlei Bedenken mehr dagegen hatte, das Tacheles-Gelände dem Bund als neuem Eigentümer zu übertragen. Und dieser, vertreten durch die Oberfinanzdirektion, ließ keinen Zweifel daran, daß es im Zusammenhang mit dem Verwertungsgebot für Bundesimmobilien nur zwei Alternativen geben würde: Räumung oder schnellstmöglicher Vertragsabschluß zwischen Fundus und Tacheles und dem Verkauf des Areals an die Kölner Immobiliengruppe.

Während zum Jahresende nach außen hin alles unternommen wurde, um eine drohende Räumung – samt Blamage für den Senat, der mit dem Kunsthaus international für den Standort Berlin wirbt – zu verhindern, stand hinter den Kulissen schon fest, daß eine Einigung zwischen Fundus und Tacheles immer unwahrscheinlicher würde. Zu weit gingen die Vorstellungen auseinander. Während Tacheles eine unbefristete Subventionierung forderte, bot Jagdfeld zehn Jahre plus Option. Und während Jagdfeld durch ein Kuratorium die künstlerische Qualität des Tacheles überprüft haben wollte, pochte der Tacheles-Verein auf Autonomie. Und während sich die benachbarte Kunstszene immer mehr vom Tacheles abwandte, igelten sich die Künstler immer mehr in ihrer Ruine ein.

Mittlerweile ist es um den künstlerischen Ruf des Tacheles seltsam ruhig geworden. So still, daß nun nicht einmal mehr die Nachricht von den geplatzten Verhandlungen die Berliner Öffentlichkeit überraschen konnte. Fundus hatte die Verhandlungen vorgestern für beendet erklärt, weil die Tacheles- Betreiber nicht, wie gefordert, auf den letzten Vertragsentwurf des Investors reagiert hatten.

Auf Distanz ist unterdessen auch der Kultursenator gegangen. „Wir haben keine Verbündeten mehr“, räumt Tacheles-Vorstandsmitglied Bettina Hertrampf ein. Niemand weiß, wie es nun weitergeht. Der Bund als Eigentümer will erst noch mit dem Senat verhandeln. Fundus möchte am liebsten einen Ideenwettbewerb und eine internationale Ausschreibung, um einen neuen Betreiber zu suchen. Und der Senat weiß, daß eine Räumung noch immer rufschädigend sein könnte. Vor allem im Ausland, wohin die Kunde von der gescheiterten Kooperation zwischen Off-Kultur und Hochfinanz noch nicht gedrungen ist.

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