Unterbringung Geflüchteter in Hamburg: Wo sich die Mieten türmen
Für die Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten zahlt die Stadt Hamburg viel Geld. Ein Vermieter kassiert pro Wohnung bis zu 5.400 Euro im Monat.
In dem Hochhaus wohnen seit April ukrainische Schutzsuchende. Im Gegensatz zum Panorama lassen sich die Kosten für ihre Unterbringung sehr wohl beziffern: Die Stadt bezahlt dem Betreiber, der Home United Spaces GmbH, bis zu 5.400 Euro im Monat – für eine Wohnung. Die Hamburger Linkspartei wirft dem Betreiber vor, die Sanierung des Hochhauses auf diese Weise zu finanzieren. Der will davon aber nichts hören.
Entlang einer sechsspurigen Kreuzung liegt das Hochhaus, das Ende Juni bereits 154 ukrainische Geflüchtete ihr Zuhause nannten. Der Mundsburgturm hat insgesamt 132 Wohneinheiten, 40 von ihnen sind regulär vermietet. Nun ziehen bis zu 300 Geflüchtete in 60 Wohnungen ein. Weitere 150 Menschen sollen in den Gewerberäumen untergebracht werden.
Unter langjährigen Bewohner:innen gilt der Mundsburgturm als Spekulationsobjekt. Kaufen, kaum sanieren, mit Gewinn verkaufen – steigenden Immobilienpreisen sei Dank. Seit 2020 gehört das Hochhaus dem Unternehmen von Investor Tomislav Karajica, der unter anderem den Hamburger Fernsehturm betreibt und Hauptgesellschafter des Basketballteams Hamburger Towers ist.
Einzelne Wohnungen werden saniert
Im zehnten Stock wohnen Geflüchtete aus der Ukraine und andere Mieter:innen Tür an Tür. Neben der Bedienkonsole im Fahrstuhl kleben Aushänge auf Deutsch und Ukrainisch, die Anzeige zum 26. Stockwerk funktioniert nicht. Im zehnten Stock angekommen, eröffnet sich ein quadratischer Flur, an dessen Seiten Ein- und Zweizimmerwohnungen abgehen.
Einzelne Wohnungen werden derzeit durch Karajicas Unternehmen, die Home United GmbH, saniert. Der vergilbte Teppich, der in den 1970ern verlegt wurde, wird durch Holzlaminat ersetzt. Die Wohnungen sind zwischen 30 und 65 Quadratmeter groß, bis zu sechs Geflüchtete werden in einer Wohnung untergebracht. Dafür erhält die Home United GmbH von der Hamburger Sozialbehörde pro Person 900 Euro im Monat, wie aus einer kleinen Anfrage der Linken an den Senat hervorgeht.
Rolf Bosse, Geschäftsführer des Hamburger Mietvereins, hält diesen Preis für extrem: „Die nehmen mehr als doppelt so viel, wie auf dem Markt üblich ist.“ Laut Mietenspiegel läge der Quadratmeterpreis in dieser Lage bei acht bis neun Euro, pro Wohnung also zwischen 400 und 500 Euro. Trotz Sanierungsarbeiten schätzt Bosse, dass „auf Vermieterseite pro Wohnung 3.000 Euro im Monat hängen bleiben.“
Sollten die Kosten bei der Unterbringung für Schutzsuchende überhaupt eine Rolle spielen? Carola Ensslen, Sprecherin für Flucht und Migration in der Hamburger Linkspartei, sagt: „An erster Stelle steht, dass die Menschen vernünftig untergebracht werden.“ Normalerweise, sagt Ensslen, sei für die Unterbringung geflüchteter Menschen jedoch eine „Kostenpauschale von knapp 520 Euro pro Monat“ vorgesehen. Da im Fall des Mundsburgturms dieser Rahmen stark überschritten werde, müsse der Senat aufpassen, dass er sich nicht erpressen lasse.
Betreiber hält Kosten für gerechtfertigt
Die Hamburger Sozialbehörde will die Kosten der Unterbringung nicht nachträglich juristisch prüfen lassen. Pressesprecher Martin Helfrich sagt, dass die Kosten auf einen Vertrag zurückgingen, dem die Stadt zugestimmt hat.
Der Betreiber hält die Kosten ohnehin für gerechtfertigt. „Es handelt sich um ein Full-Service-Paket, das nicht nur die Bereitstellung der Wohnungen vorsieht“, sagt Matthias Linnenbrügger, Pressesprecher von Home United Spaces. Manche Wohnungen müssten für die Geflüchteten renoviert werden.
Außerdem beschäftige das Unternehmen Vollzeitbetreuer:innen und stelle Küchengeräte und Möbel bereit. Nach Ablauf eines einjährigen Vertrages werde die Stadt die Wohnungen zudem für 600 Euro anmieten – ein marktüblicher Preis.
Nachdem die Bild-Zeitung der Home United Spaces GmbH „Mietwucher“ vorwarf, leitete das Unternehmen sogar juristische Schritte ein. Linnenbrügger zufolge erwirkte der Hochhausbetreiber eine Unterlassungserklärung gegen den Axel-Springer-Verlag, was zur Löschung eines „Bild-TV“-Beitrags und einer Richtigstellung im Onlineartikel der Zeitung führte.
Anfang des Jahres luden Mieter:innen den Besitzer Karajica zu einer Versammlung ein, Thema waren die zukünftigen Nachbar:innen. Angesichts der Situation kam eine seiner Aussagen den Anwesenden wie Hohn vor: „Jetzt können wir alle zeigen, wie solidarisch wir sind.“
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