: Unter der Fuchtel der Reklame
■ Die Werbewirtschaft bestimmt immer mehr das Fernsehprogramm
Während das Niveau der Fernsehunterhaltung stagniert, boomt der Werbemarkt der BRD weiter. Das hat einen ursächlichen Zusammenhang, denn in dem Maße, wie die Sender versuchen, die Programme an den Interessen der Werbekunden auszurichten, hat das entsprechende Folgen für die Qualität.
Die Werbewirtschaft stört das nicht. So gab sie im letzten Jahr allein 37 Milliarden Mark für Anzeigen, Werbespots, Plakate und Direktwerbung (das sind unter anderem die beliebten Hauswurfsendungen) aus. Verglichen mit 1988, bedeutet dies einen Anstieg von 5,7 Prozent. Hörfunk und Fernsehen wurden dabei mit 800 Millionen bzw. 2,3 Milliarden bedacht. Beeindruckend vor allem das Plus von 22 Prozent bei der Fernsehwerbung, während die Steigerungsrate bei Radiowerbung mit 1,3 Prozent vergleichsweise gering ausfiel.
Allerdings stehen die öffentlich-rechtlichen Sender gegenüber den Kommerziellen schlechter da. Die ARD -Fernsehwerbung verbuchte ein Minus von etwa einem Prozent der Werbeumsätze. Dies traf besonders die kleinen Sender.
Kommerzsender wie Sat.1 oder RTL-plus machten dagegen einen deutlichen Sprung nach oben. Sat.1, derzeit von Auseinandersetzungen zwischen den Anteilseignern geschüttelt, verbuchte im letzten Jahr ein Umsatzplus von 166 Prozent, und RTL plus legte 136 Prozent zu. Zwar kassieren ARD und ZDF mit insgesamt 1,6 Milliarden Mark immer noch den Löwenanteil der Fernsehwerbung, aber die vier größten Kommerziellen (Tele 5 und PRO 7 hinzugerechnet) erreichen mittlerweile immerhin über 650 Millionen Mark Tendenz steigend.
Durch diese Entwicklung kommen die Öffentlich-Rechtlichen in eine finanzielle Zwickmühle, denn zwischen 30 und 40 Prozent ihrer Einnahmen bestreiten sie aus Werbegeldern. Die ARD rechnet denn auch im Jahr 1991 mit einem Umsatzverlust von 300 Millionen Mark, und eine Gebührenerhöhung ist in nächster Zeit kaum zu erwarten. Noch kauft die Werbewirtschaft vorrangig Werbezeit bei ARD und ZDF, was daran liegt, daß die Öffentlich-Rechtlichen technisch in fast jedem Haushalt zu empfangen sind. Dieses Manko versuchen die Kommerziellen wettzumachen, indem sie auch an Sonn- und Feiertagen sowie nach 20 Uhr Werbung ausstrahlen dürfen. Die Möglichkeit, Werbung zielgruppengenau zu jeder Tageszeit plazieren zu können, ist ein weiterer Vorteil. Mit den steigenden Kabelanschlußzahlen und der Zuteilung terrestrischer Frequenzen verschwinden die Probleme mit den Reichweiten ohnehin.
Da die Vorteile der Öffentlich-Rechtlichen allmählich schwinden, versuchen ARD und ZDF die Werbekunden damit zu halten, daß sie ihre Vorabendprogramme werbefreundlicher gestalten. Nachrichten- und Informationssendungen werden in die dritten Programme verbannt, um so Platz für Unterhaltungsprogramme zu schaffen. Außerdem werden die Programme der Wochentage auf bestimmte, für Werbetreibende interessante Zielgruppen ausgerichtet.
Auch 1989 waren die Zeitungen und Zeitschriften absoluter Spitzenreiter bei den Werbeausgaben der Wirtschaft. Die Tageszeitungen erwirtschafteten fast acht Milliarden Mark aus Werbeeinahmen, was einem Plus von acht Prozent zu 1988 entspricht. Zweiter auf der Werbe-Hitliste sind die Publikumszeitschriften (Illustrierte, Programmblätter u.ä.) mit drei Milliarden und Dritter die Direktwerbung mit 2,5 Milliarden Mark. Erst an vierter Stelle kommt das Fernsehen. Der Werbemarkt im Hörfunk scheint, glaubt man den Aussagen des Präsidenten des Zentralausschusses der Werbewirtschaft, Jürgen Schrader, bereits gesättigt, und auch für das Fernsehen erwartet der ZAW ab 1995 ein Abflachen der Wachstumskurve. Die Konkurrenz der wachsenden Senderzahl läßt die absolute Zahl der ZuschauerInnen sinken, da sie sich auf mehrere Programme verteilen. Zwar werden dadurch die Preise für Werbespots sinken, dem Verbraucher aber nützt das wenig. Er bezahlt mit den Preisen der gekauften Produkte die Werbung gleich mit, und das sind, statistisch gesehen, 600 DM jährlich.
Philippe Ressing
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