Unsoziale Ausschreibungspolitik: Bahner wollen besser geschützt werden
In Bayern regt sich Protest gegen die Ausschreibung von Schienenverkehrsdienstleistungen. Diese seien unsozial, kritisieren die Gewerkschaften.
BERTLIN taz | Aktivisten machen derzeit nicht nur in Stuttgart mobil, wo sie gegen das umstrittene Neubauprojekt eines unterirdischen Großbahnhofs demonstrieren, auch in der bayrischen Landeshauptstadt gibt es Protest. Gewerkschaften und Aktivisten haben hier am Dienstag eine Mahnwache abgehalten, um gegen die ihrer Ansicht nach unsoziale Ausschreibungspolitik der schwarz-gelben Staatsregierung im Schienenverkehr zu protestieren. Sie werden am heutigen Mittwoch immer noch da sein.
"Die Billigen erhalten die Aufträge, Menschen verlieren Arbeit und Einkommen", heißt es im Aufruf zur Mahnwache. Diese Praxis kann, fürchten die Organisatoren, langfristig auch zu Sicherheitsproblemen führen, wenn in Billigfirmen Zugpersonal weniger intensiv ausgebildet wird. Hauptadressat des Protests ist der bayrische Verkehrsminister Martin Zeil (FDP).
"Wir haben bundesweit 26 Aufgabenträger untersucht, die Verkehrsleistungen im öffentlichen Auftrag ausschreiben", sagt Helmut Diener, Geschäftsführer des Vereins Mobifair, der sich für faire Wettbewerbsbedingungen im Verkehrssektor einsetzt. "In Bayern läuft es am schlechtesten."
Hier würden gesetzliche Möglichkeiten ignoriert, Lohn- und Sozialstandards bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Schienenverkehr abzusichern. Die Ausschreibungen würden so gestaltet, dass die Billigsten zum Zuge kommen. Für Betroffene bedeute das Lohnabschläge von bis zu 30 Prozent.
Bundesweit am besten sei die Gestaltung der Ausschreibebedingungen in Rheinland-Pfalz, so Diener. Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Berlin-Brandenburg bewege sich etwas. Probleme gebe es in Thüringen und Niedersachsen.
Scharfe Kritik übt auch Frank Hauenstein, bayrischer Fachbereichssekretär Personenverkehr der Bahngewerkschaft Transnet. "Bei uns wird eine Lohnspirale nach unten in Gang gesetzt." Dies könne auch zu Sicherheitsproblemen führen, so Hauenstein.
#Normalerweise hätten Lokführer eine Ausbildung von drei Jahren. In einem Fall hätte ein Anbieter aber den Zuschlag bekommen, der Arbeitslose - mit Beitrags- und Steuergeldern - in sieben Monaten zum Zugführer umschule. Problematisch sei der Einsatz von Zugbegleitern, denen eisenbahnspezifisches Know-how fehle. "Beim Störfall kommt es aber darauf an."
Bundesweit werde versucht, Regularien für Ausschreibungen zu finden, so Hauenstein. "Wir in Bayern verlangen nichts Unmögliches." Helfen könnte auch ein Branchentarifvertrag, den die Gewerkschaften derzeit mit den Bahnunternehmen aushandeln.
"Aber so ein Tarifvertrag nützt nichts, wenn die Vergabestellen nicht mitmachen." Deshalb müsse beispielsweise bei Ausschreibungen auch festgelegt werden, dass Beschäftigte eines Unternehmens, das die Ausschreibung verliert, von der Siegerfirma übernommen werden müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter