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Unsicherheitsdienste zur StadtbildverschönerungSauberkeit mit aller Gewalt

Die Initiative „Mahnwache(n) gegen Bahnwache“ sammelt Beschwerden über den Sicherheitsdienst, der am Hauptbahnhof die Hausordnung durchsetzt.

Oft ein Ärgernis: private Sicheheitsdienste Bild: dpa

HAMBURG taz | Meist patrouillieren sie zu zweit. Sie halten Ausschau nach Menschen, die das saubere Stadtbild stören. Die Aufgabe des Sicherheitsdienstes ist es, auf den überdachten Vorplätzen am Hauptbahnhof die Hausordnung der Deutschen Bahn durchzusetzen. Seit September 2012 gilt hier ein Vertrag zwischen der Stadt und der Deutschen Bahn.

Wer nicht den Verhaltensanforderungen der Deutschen Bahn entspricht kann es mit dem Sicherheitsdienst zu tun kriegen. Dafür genügt es, unkonventionell gekleidet zu sein, zu rauchen oder ein Bier zu trinken, sich an die Mauern des Bahnhofsgebäudes zu lehnen oder sich dort hinzusetzen.

Um die Personen aus dem Blickfeld des Hauptbahnhofes zu entfernen, setzt die Bahnwache Platzverweise in aller Härte durch. Die Initiative „Mahnwache(n) gegen Bahnwache“ hat zahlreiche Beschwerden gegen das gewalttätige Vorgehen des Sicherheitsdienstes gesammelt und strebt rechtliche Schritte an.

„Die Menschen sind der Willkür des Unsicherheitsdienstes ausgeliefert“, sagt Thomas Leske, der sich an der „Mahnwache(n) gegen Bahnwache“ am Hachmannplatz beteiligt. Jeden Donnerstag kommt hier eine Diskussionsrunde zusammen. Betroffene berichten von ihren Erfahrungen mit der Bahnwache.

Das Vorgehen der MitarbeiterInnen des Sicherheitsdienstes läuft nach den Aussagen der Betroffenen fast immer nach dem gleichen Schema ab. Zunächst fordern die Sicherheitsbediensteten die betreffende Person dazu auf, ihr Verhalten zu beenden. Wird dieser Aufforderung nicht schnell genug nachgekommen oder geht es um das grundsätzliche Erscheinungsbild der Person, liegt in den Augen der Sicherheitskräfte ein Hausfriedensbruch vor. Um den Frieden unter den Bahnhofsdächern wieder herzustellen, werden die unerwünschten Personen vom Platz geführt und gestoßen. Viele Betroffene berichten von gezielten Gewaltanwendungen. Ausgerüstet ist der Sicherheitsdienst mit einem Teleskopschlagstock, Pfefferspray und Handschellen.

Obdachlose und andere Personengruppen, die täglich viele Stunden am Hauptbahnhof verbringen, stehen im Fokus der Sicherheitskräfte. Sie berichten, dass das Vorgehen der Security vor allem nachts besonders hart sei.

Bereits Ende Januar machte der Stadtteilbeirat St. Georg in einem Dringlichkeitsantrag darauf aufmerksam, wie das Sicherheitspersonal am Hauptbahnhof mit Obdachlosen umgeht. „Es hat sich herausgestellt, dass mit unzumutbarer Härte gegen Obdachlose und andere Szeneangehörige vorgegangen wird“, heißt es in dem Antrag. Zum Teil seien sogar Schlafsäcke und Habseligkeiten der Obdachlosen vom Sicherheitsdienst beschlagnahmt worden. Deshalb fordert der Stadtteilbeirat den Bezirk dazu auf, den Vertrag mit der Deutschen Bahn aufzulösen.

Ganz anders bewertet der Bezirk selbst die Situation am Hauptbahnhof. „Die Übertragung der Zuständigkeiten im Bereich der Fußgängerzuwege hat sich aus Sicht des Bezirksamts im Wesentlichen bewährt“, heißt es in der Stellungnahme des Fachamts für Stadt- und Landschaftsbau. „Wenn jemand von Ihnen in letzter Zeit mit Obdachlosen gesprochen hätte, dann wäre auch bekannt, wie die prekär die Situation am Hauptbahnhof ist“, äußert sich Michael Joho, Mitglied des Stadtteilbeirats St. Georg, gegenüber der Verwaltung. Der Bezirk räumt inzwischen ein, dass es seit der Formulierung der Stellungnahme neue Erkenntnisse gebe. „Wir werden die Vorgänge prüfen und unsere Formulierung noch einmal überdenken“, sagt Michael Mathe, Leiter des Fachamts für Stadt- und Landschaftsplanung.

Die Deutsche Bahn dementiert derartige Vorfälle.

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16 Kommentare

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  • A
    Altonaerin

    @ Dr.Leske

     

    Ach so,.....

     

    Na denn,.....weiterhin so regen Zulauf, zu Ihrer

    Aktion,wie bisher....

  • A
    @Altonaerin

    Sie sollten genauer und nicht querlesen.

    Es steht "Die Sprache des Vierten Reichs?"

    Lingua Tertii Imperii, LTI schrieb Victor Klemperer.

    Seit Jahren wird die Sprache die wir nutzen subtil verändert. S.auch Unwort der Jahre.

    Wie diese Sprache die wir und der Staat nutzt, genannt werden kann, sollten Philologen definieren.

  • A
    Altonaerin

    @Dr.Leske

    Viertes Reich?

    Wissen Sie eigentlich überhaupt,was Sie da schreiben?

  • B
    Backward

    Damals als G. Wallraff den bewaffneten Werkschutz aufdeckte war die Anteilnahme groß.

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40859313.html

     

    Und heute werden fast alle Sicherheitsdienste bewaffnet.

    So ändern sich die Zeiten, zurück in die Zukunft und das ganz ohne wirken der RAF.

     

    Warren Buffett

    „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Reichen, die Krieg führt und wir sind dabei zu gewinnen“

    Mit Waffen und Totschläger?

  • DM
    @Dr, med. Thomas Leske

    Der vermutlich erste Teleskopschlagstock wurde seitens Jubelperser, sichtbar in Roman Brodmann "Der Polizeistaatsbesuch" eingesetzt. Nebenbei auch der Tod des Benno Ohnesorg, die Kamera war zufällig in der Nähe.

     

    Merkwürdig wohin die politisch, juristische Sprachregelung geht. Die Sprache des Vierten Reichs?

    Früher wurden solche Gegenstände als "Totschläger" bezeichnet, die Polizei hat mit aller Gewalt den zivilen Träger dingfest und nach Strafprozessordnung zur Rechenschaft gezogen.

    Ähnlicher Grund warum auf öffentlichen Veranstaltungen häufig nur Pappbecher verteilt werden, Glas oder Flaschen sind potentielle Waffen.

    Eine Prügelei mit einem Gegenstand in der Hand fällt unter StPO ohne Gegenstand unter Zivilrecht.

    Die D-Bahn/Staat finanziert privatisierte Wachleute als potentielle Totschläger?

    Mit einem Totschläger auf Obdachlose, Alkoholkranke, Drogenabhängige und Bettler?

    Das ist Irre.

    Hätten die Hells Angles solche Totschläger am Körper, dann wäre der mediale Alarm groß.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Totschl%C3%A4ger

     

    Die Verhältnismäßigkeiten sind extrem verzerrt, der neoliberale kapitale Kurs ist zu ändern.

    Passend, Brasilien ist in den Favelas gigantisches gelungen.

    Bevor Mara18 und die Folge Alma, ein Kind der Gewalt in Europa/Deutschland einzieht.

    http://alma.arte.tv/de

    http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/02/08.mondeText.artikel,a0069.idx,24

  • K
    Karl

    Die Kritik ist unbegründet.

     

    Jeder der Hausrecht inne hat darf es auch durchsetzen. Wenn ich ein Café betreibe und da nächtigt ein Obdachloser unter Tisch vier, dann schmeisse ich den ja auch raus.

  • DM
    Dr, med. Thomas Leske

    Sehr engagierter Artikel. Danke dafür! Hier nochmal als nur ein Aspekt zusammengefasst zur Bewaffnung der "Bahnwache":

    - eine stichfeste Schutzweste als Teil einer passiven Bewaffnung

    - voluminöse Lederhandschuhe aus festem Leder (gefüllt mit ….?)

    - Pfefferspray (oder doch auch Reizgas wie die Polizei?)

    - Handschellen (zwecks Einschüchterung offen am Gürtel getragen)

    - einen Teleskopschlagstock für Polizei und Sicherheitskräfte (relativ unauffällig parallel zum Gürtel getragen).

     

    Bei dem „Teleskopschlagstock Polizei“ handelt es sich um eine potentiell tödliche Waffe. Durch Knopfdruck springt der Schlagstock auf und wird zu einem starren Rohr - er ist also kein wie vom Volksmund so genannter „Gummiknüppel“ und auch keine elastische Rute wie der volkstümlich so genannte „Totschläger“. Er wird gehandhabt wie ein Kurzschwert der alten Römer (Gladio/daher auch der Name des Schwertträgers: Gladiator) wobei sowohl mit dem Rohr wie mit einer Schwertklinge geschlagen, als auch der Knauf des Griffstücks gegen den Gegner eingesetzt wird. Siehe dazu folgendes Video:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=ndshH0sGMl4

     

    Eine derartige Bewaffnung ist zur Durchsetzung von "Verhaltensanforderungen" auf dem Hintergrund eines angemaßten Hausrechts völlig unagemessen!

     

    Mahnwache(n) gegen Bahnwache

  • B
    @Blueeyedevil

    Deinen Kommentar hast du unter dem Namen einer bekannten Naziband gepostet. Ein Schelm, wer böses dabei denkt...

  • M
    Muhmann

    Schon krass wie mit Menschen umgegangen wird bzw wie viele nichts gegen solche menschenverachtenden Aktionen haben.

     

    Denen die nichts haben noch den aller letzten Rest zu nehmen, alles was schief läuft einfach mit Mascara zu übertünchen,

    zum Kotzen....

     

    achja bitte darum den Kommentar von "BlueEyedDevil" zu löschen, der Nickname stammt von einer NS-Hardcoreband, was darauf schließen lässt, dass es sich bei dem Kommentator um einen Faschisten handelt, welcher mit seinem Kommentar an zu stacheln versucht.

  • FR
    Frau Runzel

    Ey, Broti: Denn geh' bitte...

  • B
    Blueeyedevil

    Ich kenne diese Zustände vom Münchner und vom Frankfurter Hauptbahnhof und bin immer froh wenn ich Securitys sehe.Die ständigen Pöbeleien..wenn man als Nichtraucher keine Zigaretten hat oder keinen Euro für Bier lockermacht finde ich als Bahnkunde schon sehr nervend.Und wenn man dummerweise ein Ticket am Automaten kauft und dir das Kleingeld entwendet wir finde ich ist kriminell. Die Bahn ist Eigentümer und soll sich auch um ihr Eigentum kümmern. Ich kann auf diese Elemente gerne verzichten.Der Staat sollte sich darum kümmern das diese Menschen eine Möglichkeit haben sich zu treffen und ihren Tag dort zu verbringen ohne aber durch ihr Verhalten Reisende/Kunden zu belästigen.

  • MA
    Mensch aus Altona

    "Zum Teil seien sogar Schlafsäcke und Habseligkeiten der Obdachlosen vom Sicherheitsdienst beschlagnahmt worden."

     

    Das ist doch Diebstahl, oder irre ich mich?

     

    Warum stellt die Initiative „Mahnwache(n) gegen Bahnwache“ eigentlich keinen Blog ins Netz?

    Die Infos über die Aktionen kommen doch sehr spärlich in die Öffentlichkeit.

  • DB
    deutsches Blackwater

    Wer bildet diese Sicherheitsfachleute aus? Ist es Protector gegenüber des HBF?

     

    Die finanziellen Inhalte und Behördenverstrickungen sollten genauer betrachtet werden.

    Die meisten osteuropäer, vorzugsweise Moskau Inkasso, haben schon einen anerkannten Waffenschein großteils eigene Waffen. Auf Ebene der EU wurde die Bewaffnung der privaten Sicherheitsleute schon lange diskutiert.

    Einstellungsstopp bei der Polizei?

    Grüßt ein Aahlaus, der den Nagel ablöste?

  • T
    Thommy

    Und das in St. Georg, wo genug Mitglieder von SPD und Grüne über saturierte Bankkonten und große Altbauwohnungen zu lächerlichen Mieten verfügen. Die könnten die heißgeliebte Szene doch ein bisschen unterstützen. Wem der Hauptbahnhof ohne besoffene Punks die aggressiv betteln zu steril ist, der kann sich ja einen oder zwei in die Küche setzen. Gebt ihnen einen Wohnungsschlüssel und ihr müsst nie wieder das böse deutsche Verdrängungsmonster fürchten.

  • NH
    Niels Hanßen

    Das ist wirklich eine brutale Stadt geworden! Ich habe noch Verständnis dafür, dass das Bild der Obdachlosen einige ängstigt, aber dann müssen würdige Verhältnisse für die Gruppe geschaffen werden. Das Vorgaukeln einer heilen Welt durch Kosmetik, macht die Welt nicht heiler, ist nur Selbstbetrug. Ca.700 Millionen für ein Schikimiki - Projekt, wie die Elbphilharmonie, zeigt die Wertevorstellung der Politiker. Das Sozialgeheuchel, das über die vielen Missstände hinwegtäuschen soll, kotzt einen wirklich an.

  • B
    Broti

    Es ist echt eine Schande, dass diese bewaffnete Schergen Menschen vom Bahnhofsgelände jagen und angreifen. Die Lebensbedingungen in Deutschland werden schlechter. Politik und Wirtschaft entwickeln sich Schritt für Schritt weiter in Richtung Überwachungsstaat, Handlungsmöglichkeiten werden eingeschränkt, alles wird teurer, wer kein Geld hat oder nicht ins Bild der sauberen Konsumstadt passt wird verdrängt. Ich geh jetzt erstmal kotzen. Scheiß Deutschland!