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„Unsane“ im Berlinale-WettbewerbThriller in Selfie-Ästhetik

Paranoia, Stalking, Psychiatrie­: Steven Soderberghs „Unsane“ wäre ein ärgerlicher Film, wenn die Schauspielerin Claire Foy nicht wäre.

Macht den Film halbwegs erträglich: Claire Foy in „Unsane“ Foto: dpa

Für Anhänger der Serie „The Crown“ ist es ein kleiner Schock: Die sonst jede Unsicherheit perfekt unter majestätischer Beherrschtheit verbergende Queen-Elizabeth-Darstellerin Claire Foy plappert einer Psychotherapeutin völlig ungebremst das Ohr voll!

Mehr noch, sie wirkt gehetzt, unsortiert, gar ein bisschen manisch. Foy spielt in Steven ­Soderberghs neuem Thriller „Unsane“ eine Frau namens Sawyer Valentini, die gerade ein neues Leben in einer neuen Stadt begonnen hat. Nicht ganz freiwillig, wie das Gespräch mit der Therapeutin enthüllt.

Denn Sawyer ist auf der Flucht – ob vor eingebildeten oder realen Bedrohungen, das lässt der Film irritierend lange offen. Gleichzeitig deutet alles darauf hin, dass Sawyer von einer besonders grausamen Art der sich selbst erfüllenden Prophezeiung eingeholt wird: Je aggressiver sie versucht, aus dem Teufelskreis der Wehrlosigkeit zu entkommen, desto heftiger verstrickt sie sich darin.

Mit dem ihm eigenen Sinn für Ironie setzt Soderbergh den Paranoikeralbtraum in Szene: Wer im Irrenhaus am lautesten darauf besteht, nicht verrückt zu sein, landet garantiert in der Gummizelle.

„Irritation“ ist eigentlich kein schlechtes Stichwort für einen Thriller, ebenso die alte Phrase „Nichts ist so, wie es scheint“. Zum größeren Teil mit drei iPhones 7 plus gefilmt, eignet den Bildern von „Unsane“ etwas vom klaustrophobischen Narzissmus der Selfie-Ästhetik: immer etwas zu nah dran, die Poren in den Gesichtern stechend scharf, die räumliche Orientierung drum herum erschreckend unklar.

Wer im Irrenhaus am lautesten darauf besteht, nicht verrückt zu sein, landet garantiert in der Gummizelle

Die Schauspielerin Claire Foy, auch das wissen „The Crown“-Gucker schon länger zu schätzen, verfügt über eine natürliche, ja fast gebieterische Präsenz, die jede kleinste Ausdrucksverschiebung in ihrem Gesicht zu einem spannenden, vieldeutigen Ereignis macht. Ihr allein ist es deshalb zu verdanken, dass man der Thrillerhandlung in „Unsane“ länger folgt, als man es als denkender Mensch eigentlich möchte.

Dass es um Foys Sawyer Valentini herum keine wirklich entwickelten Figuren gibt, trägt einerseits zum Platzangstgefühl bei – sowohl ihre Mutter (Amy Irving) als auch ihr Patientenkollege Nate (Jay Pharoah) und selbst ihr Verfolger David (Jo­shua Leonhard) sind eher Schimären mit plakativen Verhaltensweisen als psychologisch entwickelte Charaktere. Andererseits bleiben so eben auch die möglichen Plotentwicklungen und Spannungsbögen sehr reduziert.

Was zunächst fesselnde Irritation war, kippt deshalb spätestens am Ende einfach in Ärger um. Einzelheiten darf man ja nicht verraten, aber ­Soderbergh mischt in „Unsane“ das Thema Stalking mit dem der Paranoia und des Psychiatriemissbrauchs auf eine Weise, die Unwohlsein verursacht, und zwar keinesfalls im guten Thriller-Sinn.

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