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Unruhen in SimbabweWut auf Mugabes Pleitesystem

Nach Jahren der Ruhe treiben Wirtschaftskrise und Polizeiwillkür die Menschen auf die Straße. Auslöser waren Einfuhrbeschränkungen.

Polizisten verhaften Protestierende in Bulawayo, Montag Foto: Reuters

Berlin taz | In Simbabwe sind die schwersten Unruhen seit Jahren ausgebrochen. Demonstranten und Polizei lieferten sich am Montag in mehreren Vierteln der Hauptstadt Harare Straßenschlachten, nachdem die Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr aus Protest gegen Polizeiwillkür ihre Arbeit eingestellt hatten. Es wurde Tränengas und scharfe Munition eingesetzt. Auch in anderen Städten kam es zu Demonstrationen.

Entzündet haben sich die Unruhen an spektakulären Protesten in Beitbridge, Simbabwes wichtigstem Grenzposten nach Südafrika. Als die Regierung von Präsident Robert Mugabe vergangene Woche Importbeschränkungen für südafrikanische Waren verfügte, zündeten wütende Grenzgänger eine Lagerhalle an. Am Freitag schickte die Regierung die Armee los. Über 70 Menschen wurden festgenommen.

Es ging darum, dass Waren aus Südafrika nur noch mit Sondergenehmigung über die Grenze nach Simbabwe dürfen – eine Maßnahme, die den Handel knebelt und Willkür und Korruption Tür und Tor öffnet, weil in Simbabwe aufgrund des ökonomischen Niedergangs der letzten Jahrzehnte fast nichts mehr produziert wird und fast alle Konsumgüter aus Südafrika kommen.

Da Simbabwes Polizei ohnehin auf den Fernstraßen Händler und Reisende abzockt, hat der Protest von Beitbridge schnell landesweit Schule gemacht, zumal Bargeld immer knapper wird. Die Regierung hat die Juni-Gehälter in Teilen des öffentlichen Dienstes auf 100 US-Dollar beschränkt. In Harare rufen nun Oppositionelle zu Streiks und neuen Protesten am kommenden Mittwoch auf.

Simbabwe hat nicht nur keine produzierende Wirtschaft mehr, sondern auch keine eigene Währung. Es zirkulieren Geldscheine aus Südafrika, den USA, China und anderen Ländern und die Preise sind entsprechend hoch. Präsident Robert Mugabe, mittlerweile 92, macht keine Anstalten, Reformen einzuleiten.

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6 Kommentare

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  • Das Simbabwe "nichts produziert" ist aber ein wenig irreführend oder?

    http://atlas.media.mit.edu/en/visualize/tree_map/hs92/export/zwe/all/show/2014/

     

    Es produziert nur in erster Linie Rohstoffe die in Südafrika und anderen Industriestaaten verarbeitet werden, und mit erheblichen Preisaufschlägen als Endprodukt re-importiert werden müssen.

     

    Und das vor allem in den letzten 15 Jahren, seitdem dieses Geschäftsprinzip durch den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Südafrika (SADC) bzw. der EU (TDCA) für die Multinationalen Konzerne erheblich vereinfacht wurde.

     

    Von daher wäre es durchaus im Rahmen einer Berichterstattung über die Unruhen erwähnenswert gewesen, das die Einfuhr von Konsumgütern aus Südafrika nicht nur Folge, sondern gleichzeitig auch Ursache des "ökonomischen Niedergangs" in Simbabwe ist. Und das ie Importbeschwänkungen damit gerade eine der "Reformen" ist die einzuleiten Mugabe anglich keine Anstalten macht. Die er aber gegen den Wunsch Südafrikas und der Europäischen Union auch garnicht legal einleiten kann, weil jede sinnvolle Subventionspolitik gegen die Freihandelsverträge verstossen würde.

    • @ShieTar:

      Nuja, Rohstoffe werden in der Regel aber nicht produziert, sondern gefördert oder angebaut und geerntet.

      Wenn aber nichts produziert wird, so hängt das in erster Linie damit zusammen, dass sich niemand darum kümmert, die Voraussetzungen zu schaffen. Was hindert Mugabe daran, den Aufbau einer Industrie zu fördern, z. B. indem er einheimischen Unternehmern billige Kredite zur Verfügung stellt, meinetwegen staatliche Unternehmungen schafft? Ein Importverbot kann dafür wahrhaftig nicht der richtige Weg sein, denn schließlich müssen auch Maschinen und Produktionsmittel irgendwo her kommen. Und da sie schon mal dieses Freihandelsabkommen erwähnen: Wer hat das unterzeichnet? War Mugabe vor 15 Jahren etwa noch nicht an der Macht?

      • @LiebeSonneScheine:

        Förderung von Rohstoffen gilt durchaus als Produktion, die Unterscheidung auf die sie hinaus wollen wäre die zum verarbeitenden Gewerbe. Mir ging es ja nur darum das der simple Satz "Es wird nichts mehr produziert" so klingt, als hätten die Menschen im Land die Arbeit eingestellt. Während es in Realität ja so ist das die Menschen immer noch Vollzeit (oder Doppel-Vollzeit nach Maßstäben deutscher Gewerkschaften) arbeiten, halt nur in Branchen von denen sie selbst kaum noch profitieren.

         

        Was Mugabe daran hindert einheimische Unternehmer durch Kredite oder gar staatliche Förderung zu unterstützen sind die Freihandelsverträge. Wenn er einheimischen Industrien Vorteile verschafft, durch die sie ausländische Firmen Konkurenz machen könnten, dann dürfen die ausländischen Firmen nach "Investitions-Schutz"-Paragrafen den Staat Simbabwes verklagen.

         

        Zugegeben, das ist rechtlich vermutlich gleichwertig mit dem Importverbot das gleichemaßen gegen den Vertragstext verstößt.

         

        Was die Unterzeichnung angeht, sicher hat das auch Mugabe verbrochen. Ich wollte mit meinem Kommentar ja nun auch wirklich keinen Mugabe-Fanclub gründen, sondern nur darauf hinweisen das um Artikel nur ein Teilaspekt eines komplexeren Themas herausgehoben wird, der den Eindruck hervorruft, in Afrika könnte alles wunderbar sein, wenn nur vereinzelte Diktatoren nicht alles kaputtmachen würden. In Realität ist es halt eher so das sämtliche afrikanischen Staaten in einem globalen Wirtschaftssystem gefangen sind, in dem sie nur sehr geringe Chancen haben sich positiv zu entwickeln. Und das dies kein System ist, in das die Afrikaner sich freiwillig und begeistert eingereiht haben, sondern eines in das die meisten Staaten durch Erpressungen von Seiten des IWF, der USA und der EU gezwungen wurden.

    • @ShieTar:

      Zimbabwe hatte mal eine florierende Landwirtschaft. Alles tot.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @ShieTar:

      Wenn dem so ist, dann gibt es eine ganz einfache Lösung für Simbabwes Probleme: Das Land sollte die importierten Konsumgüter selbst herstellen. Dürfte doch nicht so schwer sein.

      • @86548 (Profil gelöscht):

        Herstellen ist nicht schwer, aber zu günstigeren Preisen als eine etablierte und subventionierte Industrie herzustellen ist im Grunde unmöglich. Vor allem noch wenn man nahezu keine etablierte Technologie einsetzen darf, weil man per Freihandelsvertrag ja auch das Patentrecht der Handelspartner akzeptiert hat.

         

        Es ist vollständig unmöglich, aus dem nichts, ohne Patente und ohne Erfahrung, eine International wettbewerbsfähige Firma in etablierten Geschäftsfeldern zu gründen. Internetfirmen und ähnliche New Technology, vielleicht, aber nichts in Bereichen die seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten existieren und in denen die Prozesse bereits hochoptimiert wurden.

         

        Daher besteht die einzige Möglichkeit für ein Land eine neue Industrie zu entwickeln darin, sich vom international Handel abzukapseln, um die einheimische Industrie im eigenen geschützten Markt wachsen zu lassen. Darum haben die USA im späten 18ten Jahrhundert auch erstmal alle Freihandelsverträge mit Europa gekündigt und alle Patentrechte für 100 Jahre ignoriert. Erst nachdem die eigene Industrie den Effizienzvorsrpung der Europäer und Japaner eingeholt / überholt hatte, gab es eine 180°-Kehrtwende, und Amerika war plötzlich der oberste Verfechte des Freihandels. Das selbe in England, etwa 200 Jahre früher (Textilien aus dem Bengal waren zu wettbewerbsfähig) und in China seit ~1980.