Unruhen in Serbien: Angekratzte Autokratie
Die Protestbewegung in Serbien verdient mehr internationale Rückendeckung. Berlin und Brüssel bangen stattdessen um das begehrte Lithium.
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B isher gingen viele Menschen auf dem Balkan davon aus, sie seien gegenüber den modernen europäischen Staaten in Europa rückständig. Bis vor Kurzem war das auch so. In Serbien waren es angesichts der Repression nur wenige, die sich offen gegen das autokratisch-nationalistische System des Aleksandar Vučić stellten.
Dass jetzt ausgerechnet in Serbien Massendemonstrationen gegen das rechte Regime stattfinden und seit Jahrzehnten erstmals endlich wieder Studenten und weite Teile der Bevölkerung gemeinsam die Machtfrage stellen, ist schon bemerkenswert. Der Pfusch am Bau des Bahnhofsgebäudes in Novi Sad und die 15 Toten beim Einsturz sind zum Symbol einer Bewegung geworden, die nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ruft.
Indem sie sich gegen die Korruption wendet wie gegen den Raubbau an der Natur, gelingt es ihr, mit Massendemonstrationen nicht nur in den großen Städten, sondern überall im Land die Macht des Regimes herauszufordern. Aleksandar Vučić konnte seine Leute nicht mehr wie früher mobilisieren. Das Argument, die Bewegung sei vom Ausland gesteuert, zieht nicht mehr. Die Gegenveranstaltung in einem Dorf in der „Palanka“ war kläglich. Vučić musste am Freitag seinen Premierminister opfern.
Doch der Potentat hat immer noch Pfeile im Köcher. Er kann auf seine Freunde in Moskau und Budapest zählen. In einer Zeit, die von Putin, Trump und den rechten Parteien in Europa geprägt ist und in der sich die liberalen Demokratien auf dem Rückzug befinden, stehen solche Oppositionsbewegungen wie jetzt in Serbien schnell alleine da.
Europas und auch Deutschlands Balkanpolitik ist nach wie vor fragwürdig. Für den Preis von Lithium sind Berlin und Europa bereit, Vučić zu stützen. Die Europäische Union hat sich immerhin mit einer Resolution halb auf die Seite der Demonstranten gestellt. In Wirklichkeit jedoch sehen Berlin und Brüssel Serbien als einen Hort der Stabilität an. Tatsächlich war das Serbien unter autokratischer Kontrolle seit Milošević und seinem ehemaligen Propagandaminister Vučić nie.
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