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„Unqualifiziert und irreführend“

■ Denkmalschützerin Simone Hain über die von Bausenator Klemann vorgelegte Gestaltungssatzung Unter den Linden

taz: Der Landesdenkmalrat hat die von Bausenator Jürgen Klemann (CDU) unterzeichnete Gestaltungsverordnung Unter den Linden als fachlich unqualifiziert bezeichnet. Warum?

Simone Hain: Das betrifft zunächst die Gestaltungsvorschriften. Da ist von Balkonen und vielen anderen baulichen Details die Rede, die völlig irreführend sind.

Weshalb irreführend?

Wenn man historische Aufnahmen ansieht, kann man Balkone an einer Hand abzählen. Sie sind untypisch für die Linden.

Gilt das auch für die nun vorgesehene Bauhöhe von 30 Metern?

Ursprünglich sollte die Verordnung das Geburtstagsgeschenk des Senates zum 350jährigen Jubiläum der Linden sein. Unterschwellig ist aber eine vollkommene Veränderung des räumlichen Charakters durch eine Höherentwicklung der Fassaden vorgesehen. Es ist doch nach aller Erfahrung davon auszugehen, daß ein Investor das Angebot eines zusätzlichen Staffelgeschosses ausnutzen wird. Nicht nur im Neubau, auch im Bestand.

Wäre das nicht ein Fall für den Denkmalschutz?

Das ganze Ensemble Unter den Linden ist als Denkmalbereich geschützt. Auf der anderen Seite steht nun die Gestaltungssatzung. Insofern organisiert der Bausenator einen Gesetzeskonflikt. Im Zweifel kann ein Investor vor Gericht gehen und eine Abwägung zwischen Denkmalrecht und Gestaltungsverordnung verlangen.

Der Landesdenkmalrat hat auch das Verfahren der Verordnung kritisiert.

Im Denkmalschutzgesetz ist festgelegt, daß alle Planungen in Denkmalensembles der Abstimmung mit der Denkmalpflege bedürfen. Das ist nicht geschehen. Dem gegenüber steht ein von der Landesdenkmalpflege aufgestellter Denkmalpflegeplan Unter den Linden, in dem ganz andere Prämissen gesetzt werden.

Welche?

Zum Beispiel bestimmte Straßenabschnitte zurückzubauen, die Grünräume zu entwickeln, also die Rekonstruktion bestimmter Denkmalqualitäten. Andererseits formuliert der Denkmalpflegeplan die interessante Konzeption, die Linden gewissermaßen als Baugeschichte Berlins par excellence zu betrachten. Und zwar vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart alle baulichen Schichten gleichermaßen zu respektieren.

Bausenator Klemann möchte ja vor allem die polnische und ungarische Botschaft aus den sechziger Jahren an der Ecke Wilhelmstraße weghaben. Würde der Landesdenkmalrat dem zustimmen?

Das ist vermutlich der heißeste Konfliktpunkt und wohl auch der eigentliche Grund für die schnelle Aufstellung der Satzung. Dort stehen tatsächlich Baumaßnahmen an. Die Denkmalpflege vertritt aber die Aufassung, daß die Sechziger-Jahre-Bauten wie alle Bauten Unter den Linden das jeweils Beste ihrer Zeit darstellen. Immer ist es Unter den Linden so gewesen, daß jeweils die qualifiziertesten und ästhetisch hochrangigsten Lösungen realisiert wurden. Die Botschaften sind im Landesdenkmalpflegeplan als schützenswert ausgewiesen. Interview: Uwe Rada

Die Kunsthistorikerin Simone Hain ist stellvertretende Vorsitzende des Landesdenkmalrats

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