piwik no script img

Unpleasant Surprise

■ Langweile im Baukastenprinzip

Noch vor einem halben Jahr hatten mich Unpleasant Surprise mit ihrem dilletantischen Charme, der in ihren nicht auf eine Stilrichtung festgelegten Stücken steckte, wirklich überrascht. Gezupftes und Geschlagenes überlagerte sich, brach plötzlich ab, sphärische Teppiche wurden ausgelegt, auf denen dann weitergestolpert wurde.

Die weibliche Stimme kam hart und ging zart. Die Songkonstruktionen schienen immer nah am Zusammenbruch, hielten aber doch bis zu vier Minuten in fragilem Zustand aus. Insgesamt hinterließen Unpleasant Surprise mit ihrem Tape »Observing« eine verwirrende Spannung: man wußte nie, welches Instrument mit welchem Rhythmus in der nächsten Sekunde um die Ecke kam.

Jetzt haben sie mit »Telephone« eine neue Cassette produziert, auf der sie sich sehr an ihren Vorbildern und Freunden The Nits aus Holland orientieren. Die Songs sind gradliniger geworden zugunsten einer tragenden Melodie, ein Akkordeon drängt sich in den Vordergrund. Das Baukastenprinzip wird durch den Versuch des Songwriting mit Gruß nach Amerika ersetzt.

Aber Unpleasant Surprise sind nicht die Nits und haben nicht deren kammermusikalisches Talent für melancholischen Pop, der die europäische Enge in träumerische Weite transformiert. So bleiben sie leider stecken. Das einzige, was sie mit den Änderungen ihren Stücken hinzufügen, ist mehr Berechenbarkeit und damit Langweile. Sie sollten lieber bei ihren Wurzeln, die in Musiktheater und Straßenmusik liegen, bleiben.

Aber die Beurteilung darf nicht so konsequent negativ ausfallen. Schließlich betrifft diese nur drei neue Musiktitel aus dem umfangreichen Output der seit 1986 existierenden Band. Ihr Eouvre ist auf mittlerweile neun Tapes dokumentiert, und einen Querschnitt daraus werden Unpleasant Surprise heute abend im Wasserturm Kreuzberg auf der Bühne präsentieren. Und da sind sie bestimmt wieder für Überraschungen gut — wenn sie das Akkordeon zu Hause lassen. Schwalbe

Um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen