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Unordnung in der CDUWanken durch Wandel

Traditionalisten wahren immer seltener das, was ihren Lebensstil ausmacht: die Form. Ist es konservativ, übers eigene Sterben zu reden und Merkel zu dämonisieren?

Die alte CDU wird gesprengt: Abriss der Parteizentrale in Bonn. Bild: AP

Konrad Adenauer hat einmal gesagt: „In der Politik geht es nicht darum, recht zu haben, sondern recht zu behalten.“ Schöner lässt sich die Mentalität deutscher Konservativer nicht auf den Punkt bringen: Die Welt ist ein unordentlicher Ort und der Mensch ein ebensolches Wesen.

Was richtig ist, weiß letztlich Gott allein. Wir auf Erden können bloß versuchen, ein wenig Ordnung im Durcheinander zu halten. Dabei heiligen notfalls die Mittel den Zweck. Ruhe, Privatheit und Selbstbeschränkung sind Traditionalisten im Zweifelsfall wichtiger als Dogmen. Doch selbst diese vage Definition gerät ins Wanken. Denn gerade die derzeit lautesten Verteidiger des Konservativismus verhalten sich nicht konservativ.

Die jüngsten Beispiele liefern ein schwer kranker Bundestagsabgeordneter, eine tief gekränkte Politologin und der „Berliner Kreis“. In einem am Montag erschienenen Spiegel-Interview spricht der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach detailliert über seine Krankheiten. Erst waren da die Herzmuskelentzündung und die eilige Herztransplantation, dann die Gichtschübe im Fuß. Nun folgt die Erklärung: Sein niedergerungen geglaubter Prostatakrebs habe Metastasen gebildet, Becken und Wirbelsäule befallen. Der 60-Jährige spricht vom Sterben. Intimer geht’s kaum.

Wie der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag mit seiner Krankheit umgeht, ist wohl kaum polittaktisch motiviert. Seine ausdauernde Kritik am Euro-Kurs der Kanzlerin hat den Ex-Parteisoldaten bei der CDU-Spitze zur persona non grata gemacht. Vielmehr zeigt das Beispiel des öffentlichkeitssuchenden Parteirechten, wie schwer sich heute definieren lässt, was konservativ ist.

Merkels „autoritärer Sozialismus“

Paradoxerweise sind gerade konservative Haltungen selten auf Dauer festgelegt. Sie wandeln sich, weil sich die Menschen wandeln. Inhalte kommen und gehen, Formen aber bleiben bestehen. Zumindest bislang.

Indem der erklärte Konservative wiederholt sein Privatleben ohne äußeren Zwang öffentlich macht, verhält er sich zutiefst unkonservativ. Das Private gilt zumeist als Schutzraum, in dem die öffentliche Sphäre nichts zu suchen hat. Erst recht nicht, wenn, wie bei Bosbach, halbwüchsige Kinder dazu zählen. Bosbach aber redet von alledem mit einer entwaffnenden Direktheit und Schutzlosigkeit. Bei diesem Konservativen ist das Private längst politisch.

Ausgerechnet Bosbach zählt zum „Berliner Kreis“. Diese bislang lose Gruppierung rechter Unionsabgeordneter wollte vergangene Woche ein Manifest veröffentlichen: eine Streitschrift für eine stärkere Betonung des Konservativen in einer als wertebeliebig empfundenen Merkel-CDU. Ein selbstbewusster „Seeheimer Kreis“ für die Union? Daraus wurde nichts.

Offiziell verhinderten Terminschwierigkeiten die Veröffentlichung des Pamphlets. Gerüchteweise sorgte zum einen Druck aus dem Kanzleramt für die Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Zum anderen aber die große Ratlosigkeit unter den Kreis-Mitgliedern, was um Himmels willen denn nun konkret konservativ sei. Bundeswehr? Atomkraft? Hetero-Ehe? Gar nicht so einfach.

Vielleicht steckt daher hinter der harschen Kritik der Politologin Gertrud Höhler an der Kanzlerin mehr als verletzte Eitelkeit. Die CDU-nahe Höhler schreibt und spricht seit Wochen gegen Angela Merkel an. Die verschlossene Ostdeutsche führe das Land in den „autoritären Sozialismus“, klagt die 72-Jährige in der FAZ. Zugleich sei sie allein an der Macht orientiert – ganz anders als der von ihr so verehrte Helmut Kohl.

Höhlers Emotionalität passt nicht zur Forderung nach Maß und Mitte. Ihre Aufgebrachtheit legt die Vermutung nahe, sie treibe auch eine Art Erkenntnisvermeidungswut. Westdeutsch, katholisch, verheiratet, so waren Konservative früher. Doch was bleibt davon, wenn die Chefin aller Konservativen eine ostdeutsche, protestantische, wiederverheiratete Kinderlose ist?

Merkel und Bosbach lenken ein Schlaglicht auf eine für manchen schmerzhafte Einsicht. Das wahre Motto des deutschen Konservatismus lautet: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“

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8 Kommentare

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  • HK
    Hans-Peter Krebs

    Gesellschaften haben ihren je eigenen Modus der Bewegung, die Giuseppe Tomasi di Lampedusa in "Il gattopardo" sehr treffend beschreibt: "Wenn wir wollen, daß alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, daß alles sich verändert." Je nach subjektiver Perspektive kann man dann manchmal konservativ werden... Während Höhler und Herles sich eindeutig als Bremser positionieren, zeigen sich bei Bosdorf trotz aller Widerständigkeit Besserungen.

    Danke für den anregenden Beitrag.

  • H
    hto

    CDU/CSU - die Christlich-Dumme und Schizophrene Union - wo die Konfusion in Überproduktion von KOMMUNIKATIONSMÜLL zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche KONSERVIERT wird (SPD und die "Anderen", machen IMMER die systemrational-konservative Vor- und Drecksarbeit), da sollte es weder Fragen noch Wunder geben!?

  • A
    Arcy

    "Doch was bleibt davon, wenn die Chefin aller Konservativen eine ostdeutsche, protestantische, wiederverheiratete Kinderlose ist?"

     

    Die Antwort ist recht einfach: Ein Sinn suchender Linker, der vor dem Scherbenhaufen seiner Vorurteile steht.

  • V
    vic

    Merkel Sozialismus zu unterstellen, ist wirklich der Ehre zuviel. Autoritär oder nicht.

  • JZ
    jan z.

    Schon lange bemerkt von "Amerika": Merkel ist zu national-deutsch (wie vorher Schroeder) und reiht sich nicht reiblos ein in NATO und die Totsuende: "Finanztransaktionsteuer". Die Mutti steht auf der Liste gleich nach Amadinajad in Teheran! Wie damals gegen Ostblock, mit dem polnischen Pabst, oder heute in Suedamerika mit den "Befreiungstheologen", verwendet Washington seinen "Partner" im Vatikan. Deshalb der Angriff von der CSU.

  • S
    Sando

    "Was richtig ist, weiß letztlich Gott allein."

     

    Und das in der TAZ im Jahre 2012. Eigentlich müsste sich auch hier die Idee der Aufklärung herumgesprochen haben, dass Gott eine Schöpfung eines Menschen war, als die Menschen noch nicht wussten, wie das mit dem Leben und der Welt läuft. Sozusagen ein Konstrukt in Ermangelung von Wissen. Heute ist man etwas weiter: Richtig ist, was nützlich ist.

  • F
    friedrich

    Der Kommentar von Marlen Albertini aus der Spreezeitung beschreibt den Umgang mit Höhler sehr präzise:

     

    "...Medien und Meinungsmache

    Entsprechend harsch zeigte sich die Medienlandschaft in der vergangenen Woche und machte direkt reinen Tisch mit der aufmüpfigen Autorin. So glaubt der FOKUS an gekränkte Eitelkeiten der Autorin, ohne dies mit Fakten zu untermauern. Das Nachrichtenmagazin SPIEGEL hingegen beeilt sich zu verkünden, Höhler habe Ex-Kanzler Kohl nie beraten (Frage: Was hat das mit dem Buch zu tun?). In dem Beitrag “mit reißerischem Titel” wird Höhler aberkannt, jemals Kanzlerberaterin gewesen zu sein. Die Springer Presse schließlich toppt mit der Äußerung, Höhler verunglimpfe die Regierungschefin als Zerstörerin der Demokratie. Während der Autorin “Meinungsmache” angelastet wird, überschwemmen meinungslastige Beiträge aus allen nur denkbaren Nachrichtenredaktionen die Presselandschaft.

     

    Höhler hat eine Meinung

     

    Höhler habe da eine Meinung heißt es. Die aber ist legitim und in gewisser Weise sogar überfällig. Kritik ist zudem nicht generell etwas Negatives. Persönlichkeiten in hochrangigen Positionen müssen sich in Demokratien Beurteilungen gefallen lassen und sich damit konstruktiv auseinandersetzen. Alles andere wäre Größenwahn. Wer sich einen Kritiker als Berater an die Seite holt, handelt klug. Unklug hingegen ist es, politische Entscheidungen medial gar nicht mehr zu hinterfragen und die Aufgabe allein in der positiven Vermarktung zu sehen. Wie hoch ist ein solcher Preis und wer zahlt ihn am Ende? Ein “Sturmgeschütz der Demokratie”, wie es sich der Spiegel auf die Fahne schreibt, gibt den Journalismus gar der Lächerlichkeit preis. In einem mit dpa-Meldungen zusammengezwirbelten Beitrag kommt es zu bizarren Formulierungen im Stil einer Hedwig Courths-Mahler:

     

    “Über Höhlers Stil und Attitüde wurde viel geschrieben, über ihre makellosen, aschgrauen Hosenanzüge, die asketische Figur, dass sie den Kuchen zum Kaffee verschmäht…”

     

    Wer überspannt hier welchen Bogen, darf gefragt werden, wenn der kritischen Beobachterin im gleichen Atemzug vorgeworfen wird, sie schreibe die Regierungschefin in Grund und Boden und habe ein tiefergehendes Problem mit ihr?..."§

     

     

    http://www.spreezeitung.de/2812/gertrud-hoehler-und-der-geballte-zorn-der-medien/

  • T
    tee

    höhler spricht für die alte Industrieelite und rudimentäre Elemente der Binnenwirtschaft (starker Euro), Regierung kooperiert nun eher mit einer Finanzelite und der "reinen" Exportwirtschaft (eher schwacher Euro bei großem Europa). Es geht um Kuchenstücke.