Uno sabotiert Strafgerichtshof: Weltgericht vor Zusammenbruch
Weil die Uno ihre Beweismittel für den Internationalen Strafgerichtshof sogar vor den Richtern geheim halten will, droht die Arbeit des Weltgerichts zu platzen.
Wenn heute der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) den zehnten Jahrestag seines Römer Statuts begeht, gibt es wenig zu feiern. Das Weltgericht in Den Haag steht vor dem Zusammenbruch. Am Mittwoch haben die Richter der Ersten Kammer die Freilassung des Angeklagten im bislang einzigen zugelassenen Verfahren verfügt. Gestern legte die Anklage dagegen Einspruch ein; aber wenn die Kammer diesen ablehnt, kommt der kongolesische Milizenführer Thomas Lubanga auf freien Fuß und der erste Prozess des IStGH ist gescheitert, bevor er begonnen hat.
Ein seit Monaten schwelender Streit zwischen den Richtern und der Anklagebehörde unter Luis Moreno Ocampo ist mit dem Fall Lubanga auf die Spitze getrieben worden. Der einstige Warlord, der während des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo die Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten) im Distrikt Ituri leitete und seit 2006 in Den Haag in Haft sitzt, ist der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten angeklagt. Die Anklage verlässt sich für ihre Beweisführung in hohem Ausmaß auf Dokumente im Besitz der UNO, die im Kongo ihre weltgrößte Blauhelmmission unterhält. Die UNO aber verweigert die Herausgabe von Teilen dieser Beweismittel nicht nur an die Verteidigung, was schon problematisch wäre, sondern sogar an die Richter, was diese für eine Misstrauenserklärung halten.
Ein fairer Prozess sei so nicht möglich, argumentierte die Erste Kammer bereits am 11. Juni, als sie das Verfahren gegen Lubanga deswegen vorläufig aussetzte. Die Informanten, sei es die UNO oder andere Organisationen, seien bereit gewesen, der Anklage auf der Grundlage der Vertraulichkeit Informationen zu offenbaren - nicht aber den Richtern, sagte der Vorsitzende Richter Felford. "Wenn eine Organisation der Anklage dieses Gerichts vertraut, dürfte man von ihr erwarten, den Richtern doppelt und dreifach zu vertrauen", schimpfte er.
212 Dokumente aus UN-Besitz hält die Anklage unter Verschluss - auf Anweisung der Rechtsabteilung der UNO in New York. Grundlage dieses UN-Diktats ist ein Abkommen zwischen dem Chefankläger des Strafgerichtshofs und den Vereinten Nationen, wonach jede Weitergabe an Dritte oder sogar an das Gericht selbst nur mit vorheriger UN-Zustimmung erfolgen darf. Nach langwierigen Verhandlungen schlug die UN-Rechtsabteilung jetzt vor, dass die Richter das Material unter Aufsicht in einem verschlossenen Raum einsehen, ohne sich auch nur Notizen machen zu dürfen. Das lehnen die Richter entrüstet ab.
Viel von dem UN-Material soll relativ banal sein. "Die Monuc (UN-Mission im Kongo) hat der Anklage einfach all ihre Kisten mit Material zu Ituri gegeben, unter der Bedingung der Vertraulichkeit", sagt ein Insider. Das sollte die Identitäten einzelner UN-Mitarbeiter oder Gesprächspartner schützen.
Aber während viel Belastungsmaterial freigegeben worden ist, fallen die meisten der unter Verschluss gehaltenen Dokumente unter die Kategorie "entlastendes Beweismaterial". Daraus soll laut Anklage hervorgehen, dass Lubanga als politischer UPC-Chef den militärischen Flügel nicht unter Kontrolle hatte. Außerdem hätten Uganda und Ruanda bei der Führung der UPC eine wichtige Rolle gespielt, und Lubanga habe vergeblich versucht, Kindersoldaten an die UNO zur Demobilisierung weiterzugeben.
Die UPC war die wichtigste Miliz des Hema-Volkes in Ituri während des blutigen ethnischen Krieges zwischen Milizen der Völker der Hema und Lendu zwischen 1999 und 2003, dem über 60.000 Menschen in dem fünf Millionen Einwohner zählenden Distrikt zum Opfer fielen. Bei Kongos Parlamentswahlen 2006 errang sie drei Direktmandate. Seit der Suspendierung des Verfahrens gegen Lubanga organisiert die UPC in Ituris Hauptstadt Bunia tägliche Gebetsveranstaltungen für die Rückkehr ihres Führers in die Heimat und stellte am 30. Juni, Kongos Nationalfeiertag, eine Großdemonstration auf die Beine. "Sie glauben, die Richter hätten Lubangas Unschuld anerkannt", berichtet eine Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die internationale Justiz sei im Begriff, sich im Kongo komplett zu diskreditieren.
Die anderen Kongo-Fälle, die in Den Haag vorbereitet werden, dürften vor den gleichen Problemen stehen wie der Fall Lubanga - zwei weitere Milizenführer aus Ituri sind in Den Haag in Haft, und am gestrigen Donnerstag traf Kongos vor kurzem verhafteter Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba ein. Dessen Anwälte wollen beim UN-Sicherheitsrat die Niederschlagung des Verfahrens erwirken.
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