Unix wird 40: Mehr als nur ein Betriebssystem
Ohne diese Software gäbe es weder das Netz in seiner heutigen Form noch das freie Betriebssystem Linux: Unix feiert dieser Tage einen runden Geburtstag.
1969 lebten die Menschen in einer anderen Welt. Neil Armstrong setzte als erster Mensch einen Fuß auf den Mond, die Hippie-Bewegung war mit dem Woodstock-Festival in vollem Schwung und beim Wort "Computer" dachte man an raumgroße Schränke, die beispielsweise in einer Versicherung standen und dort Tag ein, Tag aus komplizierte Prämienrechnungen durchführten, für die ein Mathematiker zuvor Wochen brauchte.
Auf den Punkt gebracht: Spaß machte Informationstechnologie damals in den Sixties nur sehr wenigen Fachleuten. Trotzdem wurde ausgerechnet in jenem Jahr eine Software entwickelt, die noch immer enorme Bedeutung für alle Benutzer aktueller Heimcomputer und Netzwerke hat: Das Betriebssystem Unix.
Ende November feiert die Software, deren Grundzüge bis heute die Basis für das Internet darstellen, ihren 40. Geburtstag. Das Ganze ist eine recht nerdige Veranstaltung. Die "Open Group", eine Organisation, die seit vielen Jahren die Rechte an der Technologie verwaltet und dafür sorgt, dass sich alle Marktteilnehmer auch an die notwendigen Standards halten, damit Unix-Programme zueinander kompatibel bleiben, startete zum Jubiläum einen Wettbewerb.
Bei dem sollen Systemadministratoren ihr Unix-Nummerschild mit der Aufschrift "Live Free or Die!" ("Lebe frei oder sterbe!"), das auf vielen Fahrzeugen dieser verschworenen EDV-Gilde prangt, kreativ fotografieren und ins Netz stellen. Zu gewinnen gibt es einen Laptop, auf dem (natürlich) ein Unix läuft.
Die Anfänge von Unix sind beim Telekommunikationskonzern AT&T zu finden: Dessen Forschungsabteilung Bell Labs experimentierte zusammen mit dem Technologiekonzern GE an neuen Betriebssystemkonzepten, die viele Ideen enthielten, die noch heute modern sind. Da die Entwicklung nicht recht vorankam, verabschiedete sich das Unternehmen aus dem Konsortium.
Zwei zentrale Figuren aus dem Projekt, Dennis Ritchie und Kenneth Thompson, hatten plötzlich viel zu viel Zeit für eigene Ideen. Also versuchten sie, die Vorstellungen des gescheiterten Multics-Betriebssystems etwas weniger ambitioniert, schneller und kompakter umzusetzen.
Heraus kam schließlich mit Unix eine Software, die auf vielen verschiedenen Geräten lief, mehrere Prozesse gleichzeitig erledigte, mehrere Nutzer gleichzeitig in Echtzeit versorgen konnte (noch in den Siebzigerjahren waren es allerdings weniger als eine Handvoll) und wichtige Strukturen des Internet vorwegnahm – darunter die so genannte Client-Server-Architektur, bei der ein einzelner Computer Daten von einem größeren System abfragt. Ebenfalls getroffen wurden bedeutsame Entscheidungen zur Netzwerktopologie, also der Art, wie Netze aufgebaut werden – auch diese haben sich bis heute teilweise erhalten.
Die amerikanische Militärforschungsbehörde DARPA, die schließlich mit dem ARPANET den Vorläufer des heutigen Internet aufbaute, interessierte sich angesichts diverser Innovationen für Unix, so dass es auch im später größten Netzwerk der Welt schnell Verbreitung fand. Kenneth Thompson und Dennis Ritchie gingen in die Computergeschichte ein: Thompson wegen Unix (er arbeitet heute bei Google) und Ritchie auch wegen der Computersprache "C".
"Unix-like" ist auch eine Offenheit der Plattform. So ergänzten schnell diverse Programmierer Programmcode, um dem neuen Betriebssystem mehr Funktionen zu geben. Grundlegende Werkzeuge in Unix aus jenen Jahren werden noch heute verwendet.
Teile von Unix stecken außerdem noch immer in zahlreichen im täglichen Einsatz befindlichen Betriebssystemen. Das bekannteste ist Linux, ein freies Unix-Derivat; aber auch in Apples Mac OS X steckt viel von Unix, so dass der Hersteller sogar mit dessen Stabilität wirbt.
Echte "Unixe" sind ebenfalls noch auf dem Markt, etwa Solaris von Sun Microsystems oder AIX von IBM. Wer sich in die Unix-Anfangstage zurückversetzen möchte, muss bei Linux oder Mac OS X übrigens einfach die Kommandozeile ("Terminal") öffnen – anders arbeiteten die User vor 40 Jahren auch nicht. Wenn auch manches Terminal damals ohne Bildschirm auskam und seine Antworten nur auf Papier ausspuckte.
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