Universitäten in Niedersachsen: Studierende gegen Hochschulgesetz

Diese Woche wurde im Landtag die Novelle des Hochschulgesetzes verabschiedet. Die Studierenden fühlen sich – mal wieder – nicht gehört.

Ein leerer Hörsaal, am Rande einer Sitzreihe ein Schild "One way", dass auf die Einbahnstraßenregelung beim Betreten hinweist.

Die Regeln für die anstehende Prüfungsphase sind noch unklar, klagen Studierendenvertreter Foto: Martin Schutt/dpa

HANNOVER taz | Sie ist kein ganz großer Wurf, die aktuelle Novelle des niedersächsischen Hochschulgesetzes. Sie hat eher so Reförmchencharakter, ein bisschen mehr Autonomie hier, ein paar kleinere Korrekturen dort – nichts, was bisher eine Riesenwelle ausgelöst hätte.

Die hat Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) allerdings auch gerade erst hinter sich – Sparpläne und globale Kürzungen im Landeshaushalt hatten in den Hochschulen für viel Unruhe gesorgt.

Nun sollen also Präsidien und Senate gestärkt werden und mehr Befugnisse erhalten. „Differenzierte Hochschulautonomie“ nennt Thümler dies. Der FDP geht das längst nicht weit genug, noch immer regiere an den Hochschulen vor allem die landespolitische Bürokratie, nötig sei echte Autonomie, als ­Arbeitgeber wie als Bauherr, betont FDP-Fraktionschef Stefan Birkner.

„Mit den Einsparungen im Wissenschaftsbereich und auch mit der Änderung des Hochschulgesetzes bleiben die Hochschulen überreguliert und unterfinanziert“, hatte der hochschulpolitische Sprecher Lars Alt (FDP) schon im vergangenen Sommer kritisiert, als das Gesetz eingebracht wurde.

Mitbestimmung und Lehre könnten geschwächt werden

Die Beratung im Fachausschuss hat daran nicht viel geändert und auch die Studierenden sind frustriert. „Wir haben im Januar 2020 zum ersten Mal unsere Forderungen an den Wissenschaftsminister herangetragen“, sagt Daryoush Danaii vom „freien zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs) in einer Pressekonferenz am Dienstag. Auch in der Anhörung im Ausschuss habe man noch einmal versucht, den eigenen Standpunkt klar zu machen. „Nichts, gar nichts davon hat Eingang gefunden in den Gesetzentwurf.“

Die Studierenden befürchten vor allem, dass der Stellenwert der Lehre weiter unter die Räder gerät, ergänzt Pippa Schneider von der Landes-Asten-Konferenz Niedersachsen.

Künftig müssen Universitäten keine Vi­ze­prä­si­den­t*in­nen­stel­le für Studium und Lehre mehr vorsehen. „Wir gehen zwar davon aus, dass die meisten großen Unis, die nicht gleich abschaffen werden – aber trotzdem ist das eben unsere zentrale Ansprechperson im Präsidium“, sagt Schneider.

Auch die sogenannte „Genie-Klausel“ findet sie problematisch. Die soll es Universitäten ermöglichen, offenkundig geeignete Persönlichkeiten wie etwa preisgekrönte For­sche­r*in­nen ohne das übliche Berufungsverfahren zu gewinnen. Das, meint Schneider, könnte den Männerüberhang im Wissenschaftsbetrieb weiter zementieren – die erhielten schließlich auch überproportional häufig Auszeichnungen und Preise. Und mit dem Berufungsverfahren entfällt eben auch die Frage nach anderen Kandidat*innen, Gleichstellungs- und Diversitätsprinzipien.

Und es gibt weitere Stellschrauben, bei denen es für den Geschmack der Studierenden zu sehr um Exzellenz und Forschung und zu wenig um die Ausbildung künftiger Fachkräfte geht. Dass sie mit ihren Einwänden und Bedürfnissen nicht gehört werden, reiht sich in ihren Augen allerdings nahtlos ein, in die Erfahrungen, die sie während der Pandemie gemacht haben.

Unsicherheit und psychische Belastungen nehmen weiter zu

„In den Corona-Verordnungen kommen die Universitäten ja meist gar nicht vor“, sagt Schneider. Bis vor Ort klar kommuniziert werden kann, welche Spielregeln denn nun wieder gelten, vergehen oft zehn bis vierzehn Tage. Auch für die jetzt anstehenden Prüfungsphasen seien viele Dinge immer noch nicht ganz klar, ergänzt Danaii: „Was passiert denn, wenn jemand in Quarantäne oder Isolation ist? Wir halten da zumindest großzügigere Freischussregeln für dringend nötig.“ Auch an der Grundbelastung hat sich nach vier Corona-Semestern nicht viel geändert, sagen die beiden Studierenden.

Das wird auch in der großen Online-Befragung deutlich, die sie noch einmal präsentieren.­ Da ist zum einen die psychische Belastung durch die Online- und Hybridlehre, die Isolation­ und Unsicherheit, die von den psychosozialen Beratungsstellen der Studentenwerke kaum aufgefangen werden kann. Und da sind zum anderen die steigenden finanziellen Belastungen (Lebenshaltungskosten, Semesterbeiträge) bei gleichzeitig wegbrechenden Einnahmen, weil Jobs, zum Beispiel in der Gastronomie, wegfallen oder die Eltern von Kurzarbeit betroffen sind.

Die Nothilfe- und Überbrückungsprogramme dafür sind im September ausgelaufen, jetzt müssen viele wieder zusehen, wie sie klar kommen. „Wir befürchten, dass sich das Problem fortschleppt, weil Viele Rücklagen aufgebraucht oder zusätzliche Kredite aufgenommen haben, die ja auch irgendwann zurück gezahlt werden müssen“, sagt Danaii.

Am Mittwochmittag standen die Studierenden noch einmal vor dem Landtag und protestieren. Am Donnerstagnachmittag wurde das Hochschulgesetz verabschiedet.

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