Universität der Künste: Catwalk der Präsentationsmappen
Einmal im Jahr kann man sich für die Studiengänge der Bildenden Kunst bewerben. Von 1.000 Bewerber*innen werden nur wenige genommen.
Meine Mappe hat die Größe DIN A1, wiegt 10 Kilogramm und umfasst 23 künstlerische Arbeiten. Ich schleife sie über den polierten Steinboden in der Eingangshalle der Universität der Künste (UdK) in der Hardenbergstraße, um mich zur Mappenabgabe in die Schlange einzureihen, in der bereits 70 andere Studienanwärter*innen der bildenden Künste vor einem kleinen Raum warten. „Das werden noch viel mehr“, sagt jemand in der Schlange. Letztes Jahr hätten die Bewerber*innen bis auf die Straße gestanden. Der Weg vom Zoologischen Garten zum Gebäude gleicht einem Catwalk für Präsentationsmappen.
Denn Freitagvormittag ist die letzte Gelegenheit, um sich mit der Bewerbungsmappe an der Fakultät der Bildenden Künste zu qualifizieren. Die Anwärter*innen sind von überall her angereist, denn der Versand der großen Mappen ist häufig teurer als ein Zugticket. Für den Bachelor Bildende Kunst sind im vergangenen Jahr etwa 1.000 Mappen eingegangen, teilt eine UdK-Pressesprecherin mit. Angeblich, raunt es in der Schlange, würden aber nur 40 genommen werden.
Die Bewerbung ist eine aufwendige Prozedur, oft arbeiten die Anwärter*innen mehrere Monate an ihren Mappen, belegen teure Mappenkurse zur Beratung, und wer sich an mehreren Kunsthochschulen bewerben will, muss eben auch doppelt so viel Kunst „produzieren“.
„Meine Konkurrenz!“
Auf den Mappen kleben große Etiketten mit Bewerbernummer, Name und Studiengang. „Meine Konkurrenz!“, begrüßt mich ein Mann in der Schlange. Er hat Piercings und einen Plastikkaffeebecher vom Automaten. Letzte Nacht hat er durchgemacht, um fertig zu werden. Heute bewirbt er sich zum vierten Mal für Bildende Kunst auf Lehramt. Seine Mappe ist nicht zu sehen. „Ja, beim Ersten Mal hatte ich auch noch so eine große, aber mit der Zeit sind sie kleiner geworden“, erzählt er. Mittlerweile hat er sich auf einen DIN-A4-großen Pappkarton verkleinert, der in seinen Rucksack passt. In der Zwischenzeit habe er angefangen, Kunstgeschichte zu studieren, wie viele andere Gescheiterte, „da sind wir manchmal alle zusammen ganz schön deprimiert“.
Die Universität der Künste ist besonders gefragt wegen ihres Standorts in Berlin und bekannt für namhafte, zeitgenössische Künstler*innen, die als Professor*innen in Fachklassen lehren und parallel in renommierten Museen und Galerien ausstellen. Da sind Josephine Pryde, Monica Bonvicini oder Hito Steyerl.
Das Warten in der Schlange dauert lange. „Genieß es“, sagt der Mann mit Kaffeebecher. „Vielleicht ist das die längste Zeit, die du hier sein darfst.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht