Uni-Politik: Exzellenz darf nicht rot sein
Eine FU-Kommission versucht zum zweiten Mal eine Juniorprofessur zu besetzen. Der erste Kandidat passt der Unileitung nicht.
Wenn an der Uni Exzellenz auf Exzellenz trifft, dann wird es bisweilen skurril. Insbesondere dann, wenn Exzellenz über Exzellenz richten soll. Eine von Berlins vorzeigbarsten professoralen Polit-Possen der letzten Jahre geht heute an der Freien Universität (FU) in die nächste Runde: Ein längst abgeschlossenes Bewerbungsverfahren wird dort komplett neu aufgerollt. Das gibt es öfters, doch: Wenn sich heute ab 10 Uhr im Raum 203 des John-F.-Kennedy-Instituts (JFK) sechs WissenschaftlerInnen um eine Juniorprofessur bewerben, muss die Berufungskommission alles dafür tun, dass einer unter ihnen bloß nicht erfolgreich ist. Das gibt es selten. Der Mann heißt Albert Scharenberg.
Eigentlich wäre der 42-jährige Historiker und Politikwissenschaftler heute längst Professor. Denn das Auswahlprozedere für die Stelle hat es schon einmal gegeben. Dabei sprachen sich alle Fachgremien übereinstimmend für Scharenberg als den geeigneten Kandidaten aus. Doch statt sie wie üblich einfach an den Wissenschaftssenator weiterzuleiten, kassierte das FU-Präsidium die Empfehlung der Kommission ein. Denn gegen die Fachurteile der eigens eingesetzten Berufungskommission, der externen Gutachter, des Institutsrats und des Fachbereichsrats befand das Präsidium, Scharenberg sei "im Hinblick auf sein Lebensalter in keiner Weise ausreichend wissenschaftlich qualifiziert, um auf Exzellenzniveau in einem Bereich mitzuarbeiten, der als bisher einziger im Exzellenzwettbewerb erfolgreich war." Mit anderen Worten: Scharenberg sei zu alt für eine Juniorprofessur.
Eine Begründung, die in Zeiten von Exzellenz und Elite nicht verwundern müsste. Doch in der "Affäre Scharenberg" entschied sich das FU-Präsidium gegen einen ausgewiesen exzellenten Kandidaten - und sorgte damit bundesweit für Aufsehen: Die Gremien fühlten sich übergangen, Gazetten der Republik beargwöhnten die "linke Nummer" an der FU und 200 WissenschaftlerInnen aus aller Welt protestierten mit einer großformatigen Anzeige im Tagesspiegel gegen die Politik des Präsidiums. Für alle stand fest: Die Intervention des FU-Präsidiums konnte nur politische Gründe haben.
Denn die Uni-Führung gilt als extrem wirtschaftsnah. Scharenberg hingegen ist nicht nur langjähriger Lehrbeauftragter für Politik und Nordamerikastudien am JFK und Redakteur der renommierten politikwissenschaftlichen Zeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik. Er ist auch Mitglied im Kuratorium der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung und aktiv im Komitee für Grundrechte und Demokratie. Die Frage, die im Raum steht: Darf das ein Grund sein, die Exzellenz eines Kandidaten in Frage zu stellen?
Dennoch: Obwohl es keine verbindliche Altersgrenze für Juniorprofessuren gibt, obwohl an der FU auch andere Juniorprofs jenseits der 40 eingestellt wurden, obwohl sämtliche Gutachten in Scharenberg den Top-Kandidaten sahen, verhinderte der Uni-Chef die Berufung. Stattdessen ordnete er eine zweite Bewerbungsrunde an. Nun geht alles von vorne los, heute stellen die Bewerber sich erneut vor - aber jeder weiß: Scharenberg steht auf der roten Liste des Präsidiums.
Und so wird aus dem schnöden Uni-Termin in der Lansstraße ein Politikum: Die Berufungskommission muss entscheiden: Entweder sie bietet dem FU-Präsidium die Stirn - und bestimmt Scharenberg abermals zur Nummer eins. Oder sie folgt dem Willen der FU-Leitung und schlägt einen anderen Kandidaten vor.
Um den unliebsamen Linken auszuboten, hat die Komission nur eine Möglichkeit: Sie muss einen Kandidaten finden, der "besser" ist. Die Findung aber lässt sich erleichtern. Trick eins: Die Berufungskommission wurde neu besetzt, einzelne Kommissionsmitglieder gezielt ausgetauscht. Trick zwei: Das Stellenprofil der Juniorprofessur wurde stillschweigend verschoben. Ursprünglich wurde ein Experte für nordamerikanische Innenpolitik gesucht. Jetzt kommen auch Bewerber mit außenpolitischem Forschungsschwerpunkt zum Zuge. Dabei ist eigens eine Juniorprofessur für Außenpolitik ausgeschrieben. Trick drei: Auch die externen Gutachten können nun neu vergeben werden - etwa an Gutachter, die politisch opportun sind.
Dennoch muss die Kommission aufpassen. Denn trotz all dieser Maßnahmen darf Scharenberg nicht zu früh aus dem Rennen gehen. Wird eine zu große Diskrepanz zwischen dem ersten und zweiten Bewerbungsverfahren deutlich, könnte er klagen - mit dem begründeten Verdacht, dass Politik, nicht Exzellenz das Dogma der Bewertung war.
Freilich gibt es auch noch eine andere Variante: Scharenberg wird wieder auf die Nummer eins und FU-Präsident Dieter Lenzen unter Zugzwang gesetzt. Doch das ist unrealistisch, denn es hieße: Die akademische Selbstverwaltung funktioniert
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